Alles fuer die Katz
einer Strychnin-Vergiftung aus.« Doch noch während ich sprach, bewegte er sich ein wenig.
»Warte einen Augenblick!«, sagte ich. »Er lebt noch.« Ich sah, dass der Rigor etwas nachgelassen hatte, und ich konnte ihm die Beine biegen und ihn hochheben, ohne dass er sich wehrte. »Das ist kein Strychnin. Es sieht zwar ähnlich aus, ist es aber nicht. Das ist irgendetwas im Gehirn, vielleicht ein Schlaganfall.«
Mit ausgetrocknetem Mund trug ich ihn ins Haus hinunter, wo er still dalag und fast unmerklich atmete.
Helen sagte unter Tränen: »Was kannst du unternehmen?«
»Ihn in die Praxis bringen. Wir werden tun, was wir können.« Ich küsste sie auf die nasse Wange und rannte zum Auto.
Siegfried und ich sedierten ihn, weil er angefangen hatte, mit den Beinen zu rudern, dann injizierten wir ihm Steroide und Antibiotika und gaben ihm eine intravenöse Infusion. Ich schaute ihn an, als er in dem großen Krankenkäfig lag und matt mit den Pfoten zuckte. »Mehr können wir nicht tun, oder?«
Siegfried schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln. Er war, was die Diagnose anging, der gleichen Meinung wie ich: Schlaganfall, Gehirnschlag, zerebrale Blutung – man konnte es nennen, wie man wollte, es war jedenfalls das Gehirn. Ich sah, dass er die gleiche Hoffnungslosigkeit empfand wie ich.
Wir kümmerten uns den ganzen Tag lang um ihn, und am Nachmittag dachte ich kurzzeitig, er würde sich erholen, doch am Abend hatte er wieder das Bewusstsein verloren, und in der Nacht starb er.
Ich brachte ihn nach Hause, und als ich ihn aus dem Auto hob, schien sein glattes, knotenfreies Fell der glatte Hohn zu sein. Ich begrub ihn hinter dem Holzschuppen, nur wenige Schritte von dem Strohbett entfernt, in dem er all die Jahre über geschlafen hatte.
Tierärzte unterscheiden sich nicht von anderen Menschen, wenn sie einen Hausgenossen verlieren, und Helen und ich waren sehr unglücklich. Wir hofften, dass die Zeit unseren Kummer lindern würde, und wir hatten ja noch ein anderes drängendes Problem, mit dem wir uns sofort beschäftigen mussten. Was sollte aus Ginny werden?
Die beiden Katzen waren zu einem Teil unseres Lebens geworden, und wir dachten nie an die eine, ohne zugleich auch an die andere zu denken. Es verstand sich von selbst, dass für Ginny eine Welt ohne Olly unvollständig war. Mehrere Tage lang fraß sie nicht. Wir riefen häufig nach ihr, doch sie kam nur ein paar Meter aus dem Holzschuppen, schaute sich irritiert überall um und kehrte dann in ihr Bett zurück. In all diesen Jahren war sie den Abhang niemals allein heruntergelaufen, und die Bestürzung, mit der sie sich in den folgenden Wochen immer wieder umsah, nach ihrem Gefährten Ausschau hielt und ihn suchte, war eines der bedrückendsten Dinge, die wir je miterleben mussten.
Wir fütterten sie mehrere Tage lang in ihrem Bett und schafften es schließlich, sie auf die Mauer zu locken, doch sie beugte nur selten den Kopf über ihr Futter, ohne vorher in die eine und die andere Richtung gespäht zu haben. Sie wartete noch immer darauf, dass Olly käme und es mit ihr teilte.
»Sie ist so einsam«, sagte Helen. »Wir müssen versuchen, noch zärtlicher zu ihr zu sein als zuvor. Ich bleibe noch ein Weilchen draußen und spreche mit ihr. Wenn wir sie doch nur zu uns hereinholen könnten. Das wäre die Lösung, aber ich weiß, das wird nie geschehen.«
Ich betrachtete das kleine Tier und fragte mich, ob ich mich je daran gewöhnen würde, nur eine Katze auf der Mauer zu sehen, aber Ginny neben dem Kamin oder auf Helens Knie sitzen zu sehen war tatsächlich ein unmöglicher Traum. »Ja, du hast Recht, aber vielleicht kann ich etwas tun. Ich hatte gerade mit Olly Freundschaft geschlossen – jetzt fange ich mit Ginny noch einmal von vorn an.«
Mir war klar, dass ich mich auf ein langwieriges und vielleicht hoffnungsloses Unterfangen einließ, denn sie war ja immer die schüchternere von den beiden gewesen, doch ich verfolgte hartnäckig mein Ziel. Zu den Mahlzeiten und wann immer ich die Gelegenheit dazu hatte, ließ ich mich vor der Küchentür sehen, lockte und schmeichelte, winkte ihr mit der Hand, doch noch lange wollte sie mich, obwohl sie das Futter von mir akzeptierte, nicht in ihre Nähe lassen. Doch dann fehlte ihr vielleicht so sehr ein Gefährte, dass sie meinte, ich sei besser als gar keiner, denn es kam der Tag, an dem sie nicht zurückwich, sondern mir erlaubte, mit dem Zeigefinger ihre Wange zu berühren, wie ich es auch bei Olly getan
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