Alles Glück kommt nie
Sommer hier in der Gegend stattfindet.«
»Und? Ist er nicht gut vorbereitet?«
»Und ob er gut vorbereitet ist! Er hat sogar so viel trainiert, dass er sitzengeblieben ist. Aber reden wir lieber von was anderem. Ich will meine gute Laune nicht verlieren.«
Sie hatte sich an eine Deichsel gelehnt: »Sie sehen ja selbst. Hier ist alles ein einziges Chaos. Hier geht es drunter und drüber, alles wird rissig, alles ist baufällig. Die Kinder laufen ohne Strümpfe in ihren Stiefeln herum, wenn sie überhaupt welche anhaben. Ich muss sie zweimal im Jahr gegen Würmer behandeln lassen, sie gehen überallhin, denken sich pro Minute eine Million Dummheiten aus und können so viele Freunde einladen, wie sie wollen, aber eine Sache halten wir hier sehr hoch, eine einzige: Und das ist die Schule. Wenn wir abends alle um den Tisch versammelt sind, gibt’s keine Ausrede. Da verwandelt sich Doktor Jekyll in Mister Hyde! Und in dem Punkt ist Samuel meine erste Niederlage. Ich weiß, ich sollte nicht von ›meiner‹ Niederlage sprechen, aber, ach, das ist alles sehr kompliziert.«
»So schlimm ist es doch bestimmt nicht?«
»Nein, vermutlich nicht. Aber –«
»Reden Sie weiter, Kate. Erzählen Sie.«
»Letztes Jahr im September kam er aufs Gymnasium, ich musste ihn also ins Internat geben. Ich hatte keine andere Wahl. Schon in der hiesigen Schule lief’s nicht so toll. Aber das Internat war dann die Katastrophe. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet, weil ich selbst herrliche Erinnerungen an meine Jahre auf der boarding school habe, aber, ich weiß nicht, vielleicht ist es in Frankreich anders. Er war so erleichtert, wenn er am Wochenende heimkam, dass ich es nicht übers Herz brachte, ihn zum Lernen anzuhalten. Und das war dann das Ergebnis.«
Schiefes Lächeln.
»Vielleicht habe ich stattdessen bald einen französischen Meister im Eselführen. Egal. Gehen wir weiter. Wir machen den Vogelmüttern Angst.«
Tatsächlich piepte es laut in den Nestern über ihren Köpfen.
»Haben Sie Kinder?«, fragte sie.
»Nein. Doch. Ich habe eine Mathilde von vierzehn Jahren. Sie ist nicht von mir, aber –«
»Aber das ändert nicht viel.«
»Nein.«
»Ich weiß. Warten Sie. Ich zeige Ihnen was, das wird Ihnen gefallen.«
Sie klopfte in einem der unzähligen Gebäude an eine Tür. »Ja?«
»Können wir reinkommen?«
Nedra machte ihnen auf.
Wenn Charles gedacht hatte, ihn könnte jetzt nichts mehr überraschen, hatte er sich geirrt.
Eine lange Minute war er sprachlos.
»Das ist das Atelier von Alice«, flüsterte sie ihm zu.
Es half ihm nicht, seine Sprache wiederzufinden.
Es gab so viel zu sehen. Bilder, Zeichnungen, Fresken, Masken, Marionetten aus Federn und Rinden, Möbel aus Holzstückchen, Blättergirlanden, kleine Modelle und jede Menge fantastische Tiere.
»Dann war sie das also auf dem Kamin?«
»Das war sie.«
Alice, die mit dem Rücken zu ihnen an einem Tisch am Fenster saß, drehte sich um und hielt ihnen eine Schachtel hin: »Seht mal, wie viele Knöpfe ich beim Trödler gefunden habe! Seht ihr den hier, wie schön der ist? Mit einem Mosaik. Und den hier. Ein Perlmuttfisch. Der ist für Nedra. Daraus mache ich ihr eine Halskette, für wenn wir die Ankunft von Monsieur Blop feiern.«
»Dürfen wir wissen, wer Monsieur Blop ist?«
Charles war froh, dass er nicht mehr der Einzige war, der bescheuerte Fragen stellte.
Nedra zeigte auf das Tischende.
»Habt ihr ihn etwa in Grannys schöne Vase gesetzt?«, fragte Kate weiter.
»Ja klar. Das wollten wir dir noch sagen. Wir haben nämlich kein Aquarium gefunden.«
»Dann habt ihr nicht richtig gesucht. Ihr habt schon Dutzende von Fischen gewonnen, die unter uns gesagt höchstens einen Sommer überlebt haben, und ich habe schon jede Menge Goldfischglase gekauft –«
»Gläser«, korrigierte die Künstlerin.
»Danke, bowls. So ... seht zu, wie ihr das hinkriegt.«
»Ja, aber die sind winzig.«
»Tja, dann müsst ihr eben eins bauen! Wie Gaston!«
Sie schloss die Tür hinter sich und stöhnte: »Das hätte ich auf keinen Fall sagen dürfen: ›Dann müsst ihr eben ... ‹,das ist immer ein Zeichen dafür, dass man nicht mehr weiterweiß. Okay.
Beenden wir unsere Runde bei den Pferdeställen, und hier ist das Tellerchen fürs Trinkgeld. Kommen Sie mit.«
Sie kamen in einen weiteren Hof.
»Kate? Darf ich Ihnen eine letzte Frage stellen?«
»Ich höre.«
»Wer ist Gaston?«
»Kennen Sie Gaston Lagaffe nicht?«, antwortete
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