Alles Glück kommt nie
als Nabob vorhergesagt hatte, ein Leben mit Bernsteinen und Saphiren, mit lässigen Posen und erlesenen Liebschaften, und Nounou, die eines Morgens auf dramatische Weise aus unserem Leben verschwunden war.
So dramatisch, wie es sich gehört. Wie es sich für ihn gehörte. Wie es sich für sie alle gehörte.
Ich aber ... Später. Das erzähle ich später. Ich habe jetzt nicht die Kraft dazu. Und außerdem habe ich keine Lust. Ich will sie jetzt nicht alle wieder verlieren. Noch ein wenig auf dem Rücken meines Resopalelefanten sitzen bleiben, mit dem Küchenmesser im Schurz, mit ihren Fesseln, ihrem Lidschatten und all den Turbanen aus dem berühmten Alhambra .
Ich brauche meinen Schlaf, und ich brauche meine Funzel. Ich brauche alles, was ich unterwegs verloren habe. Alles, was mir gegeben und wieder genommen worden war.
Und was mir verdorben wurde ...
Weil, ja, so war es in ihrer Welt. Das war ihr Gesetz, ihr Credo, ihr Leben als Ungläubige. Man vergötterte, prügelte sich, heulte, tanzte die ganze Nacht hindurch – und alles ging in Flammen auf.
Alles.
Nichts durfte bleiben. Nichts. Niemals. Nada. Von den verbitterten, verkniffenen, verzerrten Mündern, den Betten, der Asche, den verlebten Gesichtern, den Stunden zum Heulen, der jahrelangen Einsamkeit, keine Erinnerungen. Auf keinen Fall. Erinnerungen waren etwas für die anderen.
Die Zaghaften. Die Buchhalter.
»Ihr werdet sehen, Herzchen, die schönsten Feste sind am Morgen vergessen«, sagte er, »die schönsten Feste gibt es während des Fests. Den Morgen gibt es nicht. Der Morgen ist dann, wenn man die erste Metro nimmt und von neuem attakkiert wird.«
Und sie. Sie. Sie sprach unentwegt vom Tod. Unentwegt. Um ihm zu trotzen, das Miststück fertigzumachen. Weil sie wusste, dass wir alle dran glauben müssen ... Ihr Leben bestand darin, dies zu wissen, und darum musste man sichberühren, sich lieben, trinken, beißen, genießen und alles vergessen.
»Setzt es in Brand, Kinder. Setzt mir alles in Brand.« Das ist ihre Stimme und ich – ich höre sie noch heute. Barbaren.
*
Er kann das Licht nicht löschen. Auch die Augen nicht schließen. Er wird bald, nein, er ist schon dabei, verrückt zu werden. Er weiß es. Überrascht sich in dem dunklen Fenster und ...
»Alles in Ordnung, Monsieur?«
Eine Stewardess berührt ihn an der Schulter.
Warum habt ihr mich verlassen?
»Alles in Ordnung?«
Er würde ihr gern mit Ja antworten, alles in Ordnung, danke, aber er kann nicht: Er weint.
Endlich.
Teil 1
1
Anfang Winter. An einem Samstagmorgen. Flughafen Paris Charles-de-Gaulle, Terminal 2E.
Milchigweiße Sonne, Kerosingeruch, unendliche Müdigkeit.
»Haben Sie keinen Koffer?«, fragt mich der Taxifahrer und tippt auf seinen Kofferraum.
»Doch.«
»Dann haben Sie ihn aber gut versteckt!«
Er grinst sich eins, ich drehe mich um: »O nein, ich, das Laufband. Ich habe vergessen, ihn ...«
»Holen Sie ihn! Ich warte hier!«
»Nein. Egal. Ich habe nicht die Kraft dazu, ich, egal ...«
Er grinst nicht mehr. »He! Sie wollen ihn doch nicht hierlassen?«
»Ich hole ihn ein andermal ab. Ich komme schon übermorgen wieder. Es ist fast so, als würde ich hier wohnen, ich ... Nein, fahren wir. Ich pfeif drauf. Ich gehe jetzt nicht wieder zurück.«
»He du, klatsch, klatsch , mein Gott, ja du, ich komm zu dir – auf einem Pferd!
Oh,yeah, auf einem Pferd!
He du, klatsch, klatsch , mein Gott, ja du, ich komm zu dir – auf einem Rad!
Oh,yeah, auf einem Rad!«
Es swingt nicht schlecht, im Peugeot 407 des Claudy A’Bguahana Nr. 3786. (Seine Lizenz ist mit Tesafilm an der Rückenlehne befestigt.)
»He du, klatsch, klatsch , mein Gott, ja du, ich komm zu dir – im Heißluftballon!
Oh,yeah, im Heißluftballon! «
Er spricht mich im Rückspiegel an: »Die stören Sie hoffentlich nicht, die Gospels, oder?«
Ich lächle.
»He du, klatsch, klatsch, mein Gott, ja du, ich komm zu dir – in einer Rakete!«
Mit solchen Lobgesängen hätten wir alle den Glauben nicht so früh verloren, oder?
Oh,yeah!
O ja ...
Nein, nein, ist schon okay. Danke. Alles bestens.«
»Woher kommen Sie?«
»Aus Russland.«
»O je! Dort ist es ganz schön kalt, oder?«
»Sehr.«
Unter Schäfchen meiner Herde wäre ich liebend gern brüderlicher, aber ... Und hier schlage ich mich an die Brust, ja, das kann ich, ich schlage mich an die Brust als Erwiderung, ich kann nicht.
Und es ist ganz und gar meine Schuld.
Ich bin zu weit
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