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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sie voller Bedauern, »André Franquins Gaston mit seinem Fisch Bu-bulle?«
    »Doch, doch, natürlich.«
    »Nur weil ich Gaston verstehen wollte, habe ich mit zehn ernsthaft angefangen, Französisch zu lernen. Wie habe ich mich gequält. Wegen der lautmalerischen Ausdrücke.«
    »Äh – wie alt sind Sie eigentlich? Wenn es nicht zu indiskret ist? Seien Sie ganz beruhigt, ich habe Yacine versichert, dass Sie gerade mal fünfundzwanzig sind, aber –«
    »Ich dachte, Sie hätten Ihre letzte Frage schon gestellt«, lächelte sie.
    »Ich habe mich geirrt. Eine letzte Frage wird es nie geben. Das ist nicht meine Schuld, Sie sind es, die –«
    »Die was?«
    »Ich fühle mich ziemlich naiv, aber ich habe den Eindruck, die – die Neue Welt zu entdecken, darum die vielen Fragen.«
    »Waren Sie denn noch nie auf dem Land?«
    »Es ist nicht der Ort an sich, der mich so beeindruckt, sondern das, was Sie daraus gemacht haben.«
    »Aha? Und was habe ich Ihrer Meinung nach daraus gemacht?«
    »Keine Ahnung. Ein Paradies, oder?«
    »Das sagen Sie, weil Sommer ist, tolles Licht herrscht und das Schuljahr zu Ende ist.«
    »Nein. Das sage ich, weil ich lustige, intelligente und glückliche Kinder sehe.«
     
    Sie war erstarrt. »Meinen Sie wirklich, was Sie da sagen?«
    Ihre Stimme war plötzlich ganz ernst.
    »Ich meine es nicht nur, ich bin davon überzeugt.«
    Sie stützte sich auf seinen Arm, um einen Stein aus ihrem Stiefel zu entfernen: »Danke«, flüsterte sie mit verzerrtem Gesicht, »ich ... Gehen wir weiter?«
     
    Naiv, das Wort war zu schwach, Charles fühlte sich total dumm, ja.
    Warum hatte er diese reizende Frau zum Weinen gebracht?
     
    Sie machte ein paar Schritte und wiederholte etwas fröhlicher: »Genau, fast fünfundzwanzig ... Nicht ganz übrigens. Eher sechsunddreißig.
    Sie haben also verstanden, dass die breite Eichenallee nicht für diesen bescheidenen Bauernhof angelegt worden ist, sondern für ein Schloss, das zwei Brüdern gehörte. Und nun stellen Sie sich vor, die beiden haben es während der Schreckensherrschaft 1793/94 eigenhändig in Brand gesteckt. Es war gerade fertig geworden, sie hatten ihr Herzblut und ihr ganzes Geld hineingesteckt, na ja, das Geld unserer Vorfahren, und als es hier der Legende nach langsam nach Laterne zu riechen begann, und die Legende finde ich toll, sollen sie sorgfältig ihren Keller geleert haben, bevor sie alles in Brand steckten und sich erhängten.
    Das hat mir ein total abgefahrener Typ erzählt, der eines schönen Tages hier ankam und auf der Suche nach ... Nein, die Geschichte ist zu lang. Die erzähle ich Ihnen ein andermal. Um auf die beiden Brüder zurückzukommen: Es waren alte Junggesellen, die nur für die Jagd lebten. Und Jagd heißt in ihrem Fall Hetzjagd, also mit Pferden, und für ihre Pferde war ihnen nichts zu gut. Urteilen Sie selbst.«
    Sie waren an der letzten Scheune um die Ecke gebogen: »Schauen Sie sich diese Pracht an.«
     
    »Wie bitte?«
    »Nichts. Ich habe nur geflucht, weil ich mein Skizzenheft nicht dabeihabe.«
    »Ach was. Sie kommen einfach wieder. Morgens ist es noch schöner.«
    »Hier sollten Sie leben.«
    »Im Sommer wohnen die Kinder hier. Sie werden sehen, es gibt viele kleine Zimmer für die Stallburschen.«
    Die Hände in den Seiten, den Atem flach, bewunderte Charles die Arbeit eines längst verstorbenen Kollegen.
     
    Ein rechteckiges Gebäude mit ockerfarbenem verblichenen Putz, wodurch die versetzt angebrachten Ecksteine und die steinernen Tür- und Fensterrahmen wunderbar zur Geltung kamen, ein Mansardendach, von dünnen Flachziegeln bedeckt, ein strenger Wechsel aus spiralförmigen Verzierungen und Ochsenaugen, eine große Tür mit Rundbogen, eingerahmt von zwei sehr langen Tränken.
    Dieser einfache, elegante Pferdestall am Ende der Welt, gebaut zum Vergnügen zweier kleiner Adliger, die nicht die Geduld besessen hatten, auf ihre Gerichtsverhandlung zu warten, sagte alles über den Geist des Grand Siècle.
     
    »Diese Typen litten an Großmannssucht.«
    »Eigentlich gar nicht. Laut Aussage dieses abgefahrenen Typs waren die Schlosspläne im Gegenteil enttäuschend. Sie hatten eher die ›Pferdesucht‹. Und heute«, fuhr sie belustigt fort, »profitiert unser dicker Ramon davon. Kommen Sie, sehen Sie sich den Boden an. Es sind Kieselsteine aus dem Fluss.«
    »Wie auf der Brücke.«
    »Ja. Damit die Hufe nicht rutschen.«
     
    Drinnen war es sehr dunkel. Dunkler als anderswo, die Träger und Balken waren von zig

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