Alles Glück kommt nie
Tisch abzuräumen, dem anderen, seine Papiere zu sortieren.
Versprach, in der nächsten Woche einen Abend vorbeizuschauen, um ihm bei seiner Steuererklärung zu helfen.
Dabei nahm er sich vor, ihn in jeder Woche des laufenden Steuerjahrs aufzusuchen ...
»Trinkst du nicht einen kleinen Cognac?«
»Danke, Papa, aber du weißt genau, dass ich noch fahren muss. Wo ist eigentlich dein Autoschlüssel?«
»Auf der Konsole.«
»Charles, es ist nicht vernünftig, um diese Zeit noch zu fahren«, seufzte Mado.
»Mach dir keine Sorgen. Ich habe zwei Plaudertaschen im Handschuhfach ...«
Apropos. Er ging in den Flur, setzte einen Fuß auf die unterste Stufe und rief ihnen zu, dass es an der Zeit sei zu fahren.
»He! Habt ihr mich gehört?«
Der Schlüssel. Die Konsole.
»He?«, er wunderte sich. »Was habt ihr denn mit dem Spiegel gemacht?«
»Den haben wir deiner älteren Schwester gegeben«, erwiderte seine Mutter aus den Tiefen ihrer Spülmaschine. Sie hängt sehr an ihm. Ein Erbstück vorab.
Charles betrachtete den Fleck, den der Spiegel an der Wand hinterlassen hatte.
Hier war es, dachte er, dachte ich, dass ich mich vor fast einem Jahr aus den Augen verloren habe.
Auf dieser Ablage hatte Alexis’ Brief auf mich gewartet.
Heute ist es nicht mehr der abwesende Blick eines von vier Silben überrollten Typs, den ich hier fixiere, sondern ein großes weißes Rechteck, das sich fast unanständig von dem schmutzig-gräulichen Hintergrund abhebt.
Noch nie ist mir mein Spiegelbild so passend erschienen.
»Sam! Mathilde!«, brüllte ich noch einmal, »macht, was ihr wollt, aber ich fahre jetzt los!«
Ich umarmte meine Eltern und stürzte die Stufen hinunter, als wäre ich wieder sechzehn und würde heimlich ausbüxen, um Alexis Le Men zu treffen.
Der mich an Bebop heranführte, an Nikotin, an die Reste in den Flaschen derjenigen, die Nachtschicht hatten, an Mädchen, die nie sehr lange blieben, weil Jazz als Musik »total kacke« war, dem ich zuhörte, wie er mich bis zum Geht-nicht-mehr mit Charlie Parker zudröhnte, um uns über ihren Abgang hinwegzutrösten.
Ich hupe.
Die Nachbarn.
Meine Mutter wird mich verfluchen.
Ich warte noch zwei Minuten, dann haben sie Pech gehabt.
Ist doch so! Sie übertreiben, die beiden! Ich muss die doppelten Matheaufgaben über mich ergehen lassen, die dreifachen Physikaufgaben, Fotos von Ramon in der Küche, nutellaverschmierte Messer und sogar eine Textinterpretation von Rameaus Neffe , letzten Donnerstagabend um Viertel nach zwölf!
Ich bringe ihnen jeden Abend ein frisches Baguette mit und versuche, eine ausgewogene Mischung aus Gemüse, Proteinen und Stärke zu gewährleisten, leere ihre Hosentaschen und rette jede Menge Zeug, bevor ich ihre Jeans wasche, ich nehme es hin, wenn die Türen knallen und sie tagelang nicht mehr miteinander reden, ich nehme es hin, wenn sich die Türen schließen und sie bis in die Puppen miteinander kichern, ich nehme ihre beschissene Musik in Kauf und werde angebrüllt, weil ich außerstande bin, die feinen Unterschiede zwischen Techno und Tektonik zu erkennen, ich ... Das alles ist in Wirklichkeit halb so wild, aber jetzt sollten sie mich auf dem Weg zu Kate wirklich nicht eine Sekunde länger warten lassen.
Nicht eine.
Sie haben das Leben noch vor sich.
Und weil ich wieder einmal nicht den nötigen Mumm bewiesen habe und sehr langsam gefahren bin, sammle ich sie atemlos und wutschnaubend an der nächsten Ampel auf.
Der ewige Refrain, sie prügeln sich darum, wer vorne sitzen darf.
Diesmal bin ich dran.
Nein, ich.
Ich fahre noch ein paar Zentimeter weiter, um ihnen bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Sie schlagen auf die Karosserie, interessieren sich nicht die Bohne für ihre Plätze, vollendsdamit beschäftigt, mich anzupöbeln und mit dem Beifahrersitz allein zu lassen.
»Du bist so doof, Charles!«
»Genau. Total doof.«
»Bist du verliebt oder was?«
Ich lächle. Suche nach einer Antwort, die sie zum Schweigen bringt, die beiden Nervensägen, doch dann sage ich mir, lass gut sein, es ist die Jugend.
Und ich habe sie hinter mir.
Henri Bertaud du Chazaud, ich danke Ihnen.
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