Alles Glück kommt nie
künstlich auf, »ich pfeife auf mein Leben! Sie haben nicht das Opfermonopol für sich gepachtet, wissen Sie! Und außerdem,für Nedras Adoption – ich will Sie ja nicht kränken –, aber es wäre viel einfacher für Sie, wenn Sie an Ihrer Seite eine Art – hm – männliches Wesen vorweisen könnten, wenn auch als Attrappe. Ich fürchte, diese Leute in den Behörden sind noch reichlich altmodisch, um nicht zu sagen,frauenfeindlich.«
»Meinen Sie?«, Kate gab sich bekümmert.
»Na ja.«
»Und das täten Sie ihr zuliebe?«
»Ihr zuliebe. Ihm zuliebe. Mir zuliebe.«
»Sich selbst zuliebe?«
»Meinem Seelenheil zuliebe, nehme ich an. Um sicherzugehen, dass ich mit Ihnen zusammen ins Paradies einziehe ...«
Kate nahm ihre Arbeit schweigend wieder auf, während Charles den Kopf immer mehr senkte und auf den Urteilsspruch wartete.
Er sah es nicht, aber das Lächeln seiner Peinigerin spiegelte sich in der Klinge.
»Sie ...«,flüsterte sie schließlich, »Sie sagen nicht viel, aber wenn Sie einmal loslegen, dann –«
»... kann man es nur bereuen?«
»Nein. Das würde ich nicht sagen.«
»Was würden Sie denn sagen?«
Mit einem Zipfel des Handtuchs wischte sie ihm den Nacken trocken, blies vorsichtig und lange in die Öffnung zwischen Hals und Kragen, woraufhin ihm herrliche Schauer über die Wirbelsäule jagten und Haare in sein Heft fielen, dann richtete sie sich wieder auf und erklärte: »Los, gehen Sie schon die verdammte Flasche holen. Ich warte am Hundezwinger auf Sie.«
Charles lief fassungslos davon, während sie in Alice’Zimmer ging.
Mathilde und Sam waren auch da.
»Hört mal. Ich mache mit Charles ein bisschen Pflanzenkunde. Passt ihr mir auf das Haus auf?«
»Wie lange bleibt ihr weg?«
»Bis wir fündig werden.«
»Was sucht ihr denn?«
Schon stürmte sie, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter, um einen Survival-Korb zusammenzustellen.
Und während sie eifrig mit dem Korb beschäftigt war, plötzlich nicht mehr wusste, wo die Küche lag, wahllos Türen und Schubläden öffnete, umdrehte, zuschlug, stand Charles sprachlos in seinem Zimmer.
Das war er, ganz bestimmt, aber er erkannte sich nicht.
Er wirkte älter, jünger, männlicher, weiblicher, vielleicht auch sanfter, und dabei hatte er sich unter ihrer Hand als so rauh entpuppt. Er schüttelte den Kopf, ohne fürchten zu müssen, dass ihm die Haare ins Gesicht fielen, hielt die Hand vor sein Gesicht, um einen vertrauteren Maßstab zu haben, berührte seine Schläfen, seine Lider, seine Lippen und versuchte ein Lächeln, damit ihm die Adoption seiner neuen Persönlichkeit leichter fiel.
Er steckte die Flasche in die eine Jackentasche (wie Bogart in Sabrina ) (aberohne dessen Haare) und sein Skizzenbuch in die andere.
Nahm ihr den Korb aus der Hand, legte die 18 years old hinein und folgte ihrem Zeigefinger:
»Sehen Sie da vorne diesen winzigen grauen Punkt?«
»Ich glaube ja.«
»Das ist eine Hütte. Ein Rasthäuschen für alle, die auf den Feldern geackert haben. Dorthin gehen wir jetzt.«
Er hütete sich davor zu fragen, was sie dort wollten.
Sie konnte es sich jedoch nicht verkneifen hinzuzufügen: »Der ideale Ort, um das Dossier für eine Adoption zusammenzustellen, wenn Sie meine Meinung hören wollen ...«
Es ist die letzte Zeichnung.
Und es ist ihr Nacken.
Die Stelle, die Anouk so flüchtig berührt und die er stundenlang gestreichelt hatte.
Es war sehr früh, sie schlief noch, lag auf dem Bauch, und ein Sonnenstrahl, der durch die winzige Schießscharte fiel, zeigte ihm, was er im Dunkeln nicht hatte erkennen können.
Sie war noch hübscher, als seine Hand ihn hatte vermuten lassen.
Er zog die Decke bis zu ihren Schultern hoch und schnappte sich sein Heft. Vorsichtig strich er ihre Haare zur Seite, versagte es sich, diese schöne Stelle noch einmal zu küssen, aus Angst, er könnte sie wecken, und zeichnete den höchsten Gipfel der Welt.
Der Korb war umgekippt, die Flasche leer. Zwischen zwei Umarmungen hatte er ihr erzählt, wie er zu ihr gekommen war. Angefangen vom Murmelspiel bis zu Mistinguett, hin und hergerissen zwischen dem Asphalt und dem wenigen, was an jenem Morgen noch in ihm zuckte.
Während er ihr von Anouk, seiner Familie, Laurence, seinem Job, Alexis, Nounou erzählte, gestand er ihr, dass er sie von der ersten Minute an geliebt hatte, damals an dem großen Lagerfeuer, und dass er seine Hose nicht in die Wäsche gegeben
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