Alles Gold Der Erde
Joe.
Marny entgegnete:
»No spik Inglis.«
»Wir sind in der ganzen Welt gewesen«, versetzte Joe, »aber so eine wie Sie haben wir noch nie gesehen.«
Marny erwiderte gleichgültig:
»No spik Inglis.«
Bill und Joe waren keine besonders hellen Köpfe, doch allmählich ging ihnen ein Licht auf. »Sie spricht kein Englisch«, meinte Bill. »Eine ausländische Lady.«
Joe nickte. Mit einem breiten Lächeln, das einige Zahnstummel entblößte, erkundigte er sich:
»Mamzell, parlez-vous français?«
Sein Akzent war fürchterlich, aber Kendra hatte in der Schule genug gelernt, um zu begreifen, daß er sich mit der französischen Sprache herumschlug. Ob Marny nun Französisch verstand oder nicht, war ihrer Miene nicht anzumerken.
»Sie versteht auch kein Französisch«, klagte Bill. »Laß mich mal versuchen.« Nach einer neuerlichen Verbeugung fragte er:
»Habla español, Señorita?«
Marny gab ihm keine Antwort.
»Zum Teufel!« tadelte ihn Joe. »Natürlich ist sie keine Mexikanerin. Es gibt überhaupt keine rothaarigen Mexikanerinnen!«
»Na ja, aber irgend jemand muß sie ja wohl sein, oder?« rief Bill. »Hören Sie, Lady: Wir waren schon überall. Sprechen Sie deutsch?«
Marny zuckte nicht mit der Wimper.
Bill und Joe waren auf allen sieben Meeren gefahren. Sie hatten in hundert Häfen mit Mädchen geschlafen. Zwar beherrschten sie keine fremde Sprache, aber sie hatten doch eine ganze Menge ausländisches Kauderwelsch im Kopf behalten. Bill fragte ungeduldig:
»Parlate l'italiano?«
»Ich habe dir doch gesagt, daß sie keine Mexikanerin ist«, schrie Bill, »auch keine Spanierin, Portugiesin oder Italienerin. Und ganz gewiß ist sie auch kein Chinesenweib.« Er streckte Marny einen schmutzigen Finger entgegen. »Geben Sie acht, Lady: Irgendeine Sprache müssen Sie doch reden können! Snakker De norsk? Spreekt U Nederlandsch? Los! Wachen Sie auf! Reden Sie endlich!« Er packte mit seiner dreckigen Pfote Marny an der Schulter und schüttelte sie.
Marny machte sich verärgert frei und verschluckte die leicht verständlichen englischen Worte, die ihr auf der Zunge lagen. Hinter den Weiden zitterte Kendra so sehr, daß sie kaum mit ihren Knopflöchern zurechtkam. Eines war ihr klar: Lange konnte Marny die Männer nicht mehr hinhalten, einmal mußte sie sprechen. Und was passierte, wenn sie ›Fe, fi, fo, fum‹ plapperte? Diese Männer sahen nicht danach aus, als ließen sie sich gern foppen. Vielleicht schossen sie am Ende doch …
Jetzt forderte Joe in barschem Ton:
»Er De dansk? Los jetzt, Lady!«
Grinsend, als sei ihm etwas ganz Besonderes eingefallen, wirbelte Bill seinen Hut durch die Luft und fragte:
»Vielleicht Rußki?«
Kendra raffte ihren Rock hoch. Lauf jetzt! befahl sie sich selbst, lauf und fall nicht hin!
»Sprechen Sie!« brüllte Joe. »Ich habe gesagt, Sie sollen sprechen!« Und er griff abermals nach Marny.
Doch auch diesmal riß sie sich wieder los. Sie konnte es nicht leiden, wenn man sie mit derber Hand berührte. Nun amüsierte dieses Spiel sie nicht länger – jetzt wurde sie toll. Und wenn sie toll wurde, fiel ihr immer etwas ein.
Sie begann zu sprechen.
» Amo , amas, amat !« gab sie wütend zurück. » Amamus , amatis, amant !«
»He?« machte Joe.
13
Joe und Bill starrten sich an.
Marny stampfte mit dem Fuß auf. Obgleich Kendra das Geleiere Marnys nicht verstanden hatte, erkannte sie doch mit Freude, daß sie jetzt in einer Sprache redete, die den Männern unbekannt war. Das Stimmengewirr hatte nun auch Teds Aufmerksamkeit erregt, und er war zu einer Stelle gelangt, von wo aus er die Seeleute sehen konnte, aber er feuerte nicht, wenn er auch seine Waffe in der Hand hielt. Um Himmels willen, fragte sich Kendra, weshalb schoß er nicht endlich? Sicher wollte er niemanden töten, aber er könnte doch wenigstens in die Luft knallen, damit die Matrosen merkten, daß Marny nicht allein war. Marny übergoß die beiden mit einem Wortschwall:
»Quosque tandem abutere, Catilina, patentia nostra?«
Die Matrosen standen mit aufgerissenen Mündern da, aber sie erwiderten nichts, weil ihnen nichts einfiel. Marny dozierte weiter:
»O tempora! O mores! Senatus haec intellegit, consul videt, hic tamen vivit!«
Sie redete und redete, und die Verblüffung ihrer Zuhörer wurde immer größer. Kendra rannte zu Ted. Als sie bei ihm anlangte, erkannte sie staunend, weshalb er nicht gefeuert hatte. Er war dazu gar nicht in der Lage. Er krümmte sich nämlich vor Lachen. Der
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