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Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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empfand eine jähe Furcht bei dem Gedanken, wie sehr sie Ted brauchte. Ohne ihn wäre sie wieder so verloren wie früher gewesen. Doch als Ted sie auf sich zukommen sah, warf er ihr einen Handkuß zu, und Kendra sagte sich beruhigt: Ich bin nicht mehr allein. Ich brauche ihn, aber ich habe ihn ja auch bekommen.

12
    Am nächsten Tag gerieten sie in einen Regenschauer, der die Bäche anschwellen ließ, die sie zu überqueren hatten, so daß sie langsamer vorankamen. Am Morgen darauf aber war das Wetter wieder schön. Ning brachte sie bei Tagesanbruch auf die Beine, und um acht Uhr erreichten sie ein Gewässer, das Carquinez Strait hieß. Hier hatte ein unternehmungslustiger Riese namens Semple, der aus Kentucky gekommen war und mehr als zwei Meter maß, einen Fährbetrieb nach der Niederlassung Benicia auf dem andern Ufer eingerichtet.
    Semple lebte in Benicia, aber auf dem diesseitigen Ufer war ein Vorrat an Gerste und Hafer für die Pferde vorhanden, den einige Jungen bewachten. Sie setzten Einzelreisende nach Benicia über, doch wenn eine ganze Gesellschaft eintraf, kam Semple selbst und kümmerte sich um den Transport. Sein breites Fährboot hatte geringen Tiefgang und war groß genug, um ein halbes Dutzend Pferde auf einmal zu befördern. Für jedes Pferd verlangte er einen Dollar, für jede Person fünfzig Cent und für jeden Wagen sechs Dollar.
    Am Ufer blühten Blumen und Weidenkätzchen. Die Männer stoppten den Wagenzug an einem Bach, der etwa eine halbe Meile vor dem Landeplatz der Fähre in die Carquinez Strait floß. Jetzt waren sie schon fünf Tage unterwegs. San Francisco lag dreiundzwanzig Meilen hinter ihnen – dreiundzwanzig Meilen in der Vogelfluglinie, aber sie hatten fast neunzig Meilen zurücklegen müssen.
    Ning erklärte Marny und Kendra, sie müßten viermal das Gewässer kreuzen. Die Jungen brachten die ersten Pferde ans jenseitige Ufer; Hiram fuhr mit und bewachte sie drüben. Bei den nächsten beiden Fahrten setzten die Schwarzbärte mit Lulu und Lolo, Delbert und den zwei Wagen über; Ning schloß sich ihnen an, um nach dem Rechten zu sehen. Marny und Kendra warteten zusammen mit Ted und dessen Wagen sowie mit Pocket, der hiergeblieben war, um ihm beim Bespannen zu helfen.
    Die Mittagszeit war vorüber, und die Sonne brannte heiß vom Himmel. Pocket hatte die Pferde an einen Baum gebunden und sich in der Nähe niedergelassen. Ein paar Meter entfernt von ihm lag Ted im Schatten seines Wagens. Zwischen beiden saßen Marny und Kendra unter einem Baum und beobachteten die Fähre, die sich den fünfzehn oder zwanzig Hütten näherte, welche die Stadt Benicia darstellten.
    Vögel schilpten und rupften im Gras. Tausend Bienen umsummten die Blüten.
    »Ich habe nur eine Klage«, meinte Marny. »Ich bin hungrig.«
    Das war auch Kendra. Plötzlich entsann sie sich der getrockneten Früchte. »Ich hole ein paar Feigen«, sagte sie und stand auf. »Oh, verflixt!«
    »Wenn Sie ›verdammt‹ meinen, warum sagen Sie's dann nicht?« erkundigte sich Marny.
    »Verdammt!«
    »Was ist los?«
    Kendra war auf den Saum ihres Reitkleides getreten und hatte den Stoff eingerissen.
    »Das ist doch keine Tragödie«, tröstete Marny. »Haben Sie ein Nähkörbchen bei sich?«
    »Ja. Dafür hat meine Mutter gesorgt. Aber ich kann doch nicht nähen.«
    Marny lächelte verständnisvoll. »Ich werde das Loch stopfen. Bringen Sie mir Nadel und Garn.«
    Kendra holte das Körbchen und ging dann mit Marny in ein Weidengebüsch. Dort zog sie ihr Kleid aus und schaute zu, wie Marny geschickt den Schaden behob. »Ich wünschte, ich könnte das auch machen.«
    »Sie können ja nicht mit allen Gaben gesegnet sein, meine Liebe. Sie sollten mich mal kochen sehen. Selbst wenn ich mir die größte Mühe gebe, schmeckt mein Kaffee immer noch nach Schlamm.« Marny schnitt den Faden ab. »So, das ist jetzt wieder wie neu! Ziehen Sie Ihr Kleid an. Sie können sich wieder in der Öffentlichkeit blicken lassen. Ach, mein Gott! Sehen Sie sich das an …«
    Ihre Stimme war zu einem ängstlichen Flüstern geworden. Sie umfaßte Kendras Handgelenk und deutete auf das Grasland.
    Kendra sah zwei zerlumpte und struppige Männer, die von den Bergen herabgekommen waren. Ihre Anzüge waren verdreckt und ihre Schuhe zerrissen. Der eine war barhäuptig, während der andere einen alten Hut schief auf dem Kopf sitzen hatte. Sie waren noch ein ganzes Stück entfernt, aber sie kamen rasch näher. Marny wisperte der verstörten Kendra zu: »Es sind

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