Alles ist erleuchtet
lesen. Er ging immer mit einem Buch unter dem Arm herum und hat sich mehr Bücher ausgeliehen als irgendeiner im Schtetl. Was für ein Unsinn! Und hier«, sagte sie und grub ein anderes Foto aus der Schachtel aus, »ist Josef und sein Bruder Zwi. Ich habe mit ihnen gespielt, wenn sie von der Schule nach Hause kamen. Zwi hatte immer ein Plätzchen in meinem Herzen, aber ich hab's ihm nie gesagt. Ich wollte es ihm sagen, aber ich hab's nie getan. Ich war ein so komisches Mädchen. So viele hatten ein Plätzchen in meinem Herzen. Leah hat das ganz verrückt gemacht. Wenn ich ihr davon erzählt habe, hat sie gesagt: >AU diese Plätzchen für alle möglichen Leute - du hast bald keinen Platz mehr für Blut!<« Das ließ sie über sich selbst lachen, und dann wurde sie ganz still.
»Augustine?«, sagte Großvater, aber sie hatte ihn wohl nicht gehört, denn sie verdrehte sich nicht zu ihm, sondern bewegte ihre Hände durch die Dinge in der Schachtel, als ob diese Dinge Wasser wären. Jetzt gab sie ihre Augen keinem anderen als mir. Großvater und der Held waren für sie nicht mehr da.
»Hier ist Rifkes Ehering«, sagte sie und schob ihn sich auf den Finger. »Sie hat ihn in einem Topf versteckt, den sie vergraben hat. Das weiß ich, weil sie es mir gesagt hat. Sie hat gesagt: >Nur für den Fall.< Viele haben das getan. Die Erde ist noch immer voll von Ringen und Geld und Fotos und jüdisehen Dingen. Ich hab nur ein paar davon gefunden, aber die Erde ist voll davon.« Der Held fragte mich nicht, was sie sagte, und er fragte mich auch später nicht. Ich bin nicht sicher, ob er wusste, was sie sagte, oder ob er wusste, dass es besser war, nicht zu fragen.
»Und das ist Herschel«, sagte sie und hielt ein Foto in das Licht am Fenster. »Wir werden jetzt fahren«, sagte Großvater. »Sag ihm, dass wir fahren.« »Fahrt nicht«, sagte sie. »Halten Sie den Mund«, sagte er zu ihr, und obwohl sie nicht Augustine war, hätte er das nicht zu ihr äußern sollen. »Es tut mir Leid«, sagte er. »Bitte fahren Sie fort.« »Er lebte in Kolki, das war ein Schtetl nicht weit von Trachimbrod. Herschel und Eli waren die besten Freunde, und Eli musste Herschel erschießen, denn wenn er es nicht getan hätte, hätten sie ihn erschossen.« »Halten Sie den Mund«, sagte er wieder, und diesmal schlagte er auch auf den Tisch. Aber sie hielt den Mund nicht. »Eli wollte es nicht, aber er hat es getan.« »Sie lügen das alles.« »Er hat das nicht so gemeint«, sagte ich zu ihr und konnte nicht begreifen, warum er das tat, was er tat. »Großvater -« »Sie können Ihre Nicht-Wahrheiten für sich behalten«, sagte er. »Ich habe diese Geschichte gehört«, sagte sie, »und ich glaube, es ist eine Wahrheit.« Ich konnte merken, dass er sie zum Weinen brachte.
»Hier ist eine Spange«, sagte sie, »die Miriam immer im Haar hatte, damit es nicht ins Gesicht fiel. Sie rannte immer herum. Sie konnte unmöglich still sitzen, weil sie es immer liebte, Dinge zu tun. Das hier habe ich unter ihrem Kissen gefunden. Das ist wahr. Sie wollen sicher wissen, warum die Spange unter ihrem Kissen lag. Das Geheimnis ist, dass sie sie nachts in der Hand hielt, damit sie nicht am Daumen lutschte. Das war eine schlechte Sache, die sie so lange tat, sogar als sie schon zwölf war. Nur ich wusste das. Sie würde mich umbringen, wenn sie wüsste, dass ich über ihren Daumen rede, aber ich sage Ihnen, wenn Sie genau beobachtet hätten, wenn Sie sehr aufmerksam gewesen wären, hätten Sie gesehen, dass er immer rot war. Sie war immer sehr schamvoll darüber.« Sie gab die Spange wieder in die Schachtel Überreste und grub noch ein Foto aus.
»Und hier, ach, ich erinnere mich, das sind Kaiman und Izzie, sie waren solche Spaßmacher.« Großvater sah auf nichts, nur auf Augustine. »Seht, wie Kaiman Izzies Nase festhält! Was für ein Spaßmacher! Sie machten den ganzen Tag so viel Spaß, dass mein Vater sagte, sie sind die Clowns von Trachimbrod. Er sagte: Sie sind solche Clowns, dass nicht einmal ein Zirkus sie haben wollen würde!« »Sind Sie aus Trachimbrod?«, fragte ich sie. »Sie ist nicht aus Trachimbrod«, sagte Großvater und verdrehte den Kopf weg von ihr. »Ich bin aus Trachimbrod«, sagte sie. »Ich bin die Einzige, die es noch gibt.« »Was meinen Sie?«, fragte ich sie, weil ich es nicht wüsste. »Sie sind alle getötet worden«, sagte sie, und ich wollte anfangen, das, was sie sagte, für den Helden zu übersetzen, »außer einer oder zwei, die
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