Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Titel: Alles ist erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
Vom Netzwerk:
fliehen konnten.« »Sie waren die, die Glück hatten«, sagte ich. »Wir waren die, die Nicht-Glück hatten«, sagte sie.
    »Es ist nicht wahr«, sagte Großvater, obwohl ich nicht wüsste, welchen Teil er damit meinte. »Es ist wahr«, sagte sie. »Man sollte nie die sein müssen, die übrig bleibt.« »Sie hätten mit den anderen sterben sollen«, sagte er. (Ich werde nicht erlauben, dass das in der Geschichte bleibt.)
    »Frag sie, ob sie meinen Großvater kannte.« »Kannten Sie den Mann auf dem Foto? Er war der Großvater von dem Jungen hier.« Ich führte ihr noch einmal das Foto vor. »Natürlich«, sagte sie und gab mir wieder ihre Augen. »Das war Safran. Er war der erste Junge, den ich geküsst habe. Ich bin eine so alte Frau, dass ich zu alt bin, um noch schüchtern zu sein. Ich hab ihn geküsst, als ich noch ein Mädchen war und er noch ein Junge. Sag ihm«, sagte sie und nahm meine Hand in ihre Hand, »sag ihm, dass er der erste Junge war, den ich je geküsst habe.« »Sie sagt, dass dein Großvater der erste Junge war, den sie je geküsst hat.« »Wir waren sehr gute Freunde. Er hat eine Frau und zwei Babys verloren im Krieg. Weiß er das?« »Zwei Babys?«, fragte ich. »Ja«, sagte sie. »Er weiß es«, sagte ich. Sie untersuchte die Schachtel ÜBERRESTE und grub noch mehr Fotos aus und legte sie auf den Tisch. »Wie können Sie das tun?«, fragte Großvater.
    »Hier«, sagte sie nach langer Suche. »Hier ist ein Foto von Safran und mir.« Ich beobachtete, dass kleine Flüsse über das Gesicht des Helden flössen, und wollte meine Hand auf sein Gesicht legen und eine Stütze für ihn sein. »Das ist sein Haus, vor dem wir da stehen«, sagte sie. »Ich erinnere mich sehr stark an den Tag. Meine Mutter hat dieses Foto gemacht. Sie mochte Safran so gern. Ich glaube, sie wollte, dass wir heiraten, und hat es sogar dem Rabbi gesagt.« »Dann würden Sie seine Großmutter sein«, sagte ich zu ihr. Sie lachte, und das machte mir ein gutes Gefühl. »Meine Mutter mochte Safran so sehr, weil er ein so höflicher Junge war und so schüchtern, und weil er zu ihr gesagt hat, dass sie schön ist, obwohl sie gar nicht schön war.« »Wie war ihr Name?«, fragte ich sie und versuchte, freundlich zu sein, aber sie bewegte den Kopf hierhin und dorthin, um mir zu sagen: Nein, ich werde ihren Namen niemals sagen. Und dann erinnerte ich mich, dass ich den Namen dieser Frau nicht wusste. Ich fuhr fort, dass ich an sie mit dem Namen Augustine dachte, weil ich, genau wie Großvater, nicht aufhören konnte zu sehnen, dass sie Augustine war. »Ich weiß, dass ich noch eins habe«, sagte sie und untersuchte die Schachtel weiter. Großvater wollte sie nicht ansehen. »Ja«, sagte sie und grub noch ein gelbes Foto aus, »hier ist eins mit Safran und seiner Frau vor ihrem Haus, nachdem sie geheiratet hatten.«
    Ich gab dem Helden jedes Bild, nachdem sie es mir gegeben hatte, und er konnte es nur mit Schwierigkeit in den Händen halten, die so sehr zitterten. Es war, als ob ein Teil von ihm alles, jedes Wort, das geäußert wurde, in sein Tagebuch schreiben wollte, und ein Teil von ihm weigerte, auch nur ein Wort zu schreiben. Er machte das Tagebuch auf und wieder zu, auf und wieder zu, und es sah aus, als würde es aus seinen Händen fliegen. »Sag ihm, dass ich bei der Hochzeit war. Sag es ihm.« »Sie war bei der Hochzeit von deinem Großvater und seiner ersten Frau«, sagte ich. »Frag sie, wie es war«, sagte er. »Es war wunderschön«, sagte sie. »Mein Bruder hat eine der Stangen des Brauthimmels gehalten, das weiß ich noch. Es war ein Frühlingstag. Zoscha war ein so hübsches Mädchen.« »Es war sehr schön«, sagte ich zu dem Helden. »Es gab viel Weiß und Blumen und viele Kinder, und die Braut trug ein langes Kleid. Zoscha war ein schönes Mädchen, und alle anderen Männer waren neidisch.« »Frag sie, ob sie uns dieses Haus vorführen kann«, sagte er und zeigte auf das Foto. »Können Sie uns dieses Haus vorführen?«, fragte ich sie. »Es gibt nichts mehr«, sagte sie. »Das habe ich euch schon gesagt. Nichts. Es war früher vier Kilometer von hier, aber alles, was es von Trachimbrod noch gibt, ist in diesem Haus.« »Sie sagen vier Kilometer von hier?« »Es gibt kein Trachimbrod mehr. Es hat vor fünfzig Jahren geendet.« »Bringen Sie uns dorthin«, sagte Großvater. »Es gibt nichts zu sehen. Es ist nur ein Feld. Ich könnte euch irgendein Feld vorführen, und es wäre genauso, als würde ich euch

Weitere Kostenlose Bücher