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Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Titel: Alles ist erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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Möglichkeiten, sagte sie und schnüffelte. Entweder ich setze mich auf deinen Schoß oder wir gehen. Wie sich zeigte, kehrten sie die Reihenfolge um und taten beides.
    Magst du Kaffee?, fragte sie und ging, ohne ihn anzusehen, in ihrer makellosen Küche hierhin und dorthin, berührte alles, ordnete alles neu.
    Klar.
    Viele junge Leute mögen keinen Kaffee.
    Ich schon, sagte er, obwohl er noch nie eine Tasse Kaffee getrunken hatte.
    Ich werde wieder zu meiner Mutter ziehen. Wie bitte?
    Dieses Haus war für mein Leben als Ehefrau gedacht, aber du weißt ja, was passiert ist.
    Ja. Das tut mir Leid.
    Möchtest du also einen Kaffee?, fragte sie, und ihre Finger lagen auf dem polierten Griff einer Schranktür.
    Klar. Wenn du auch einen trinkst. Nur für mich brauchst du keinen zu machen.
    Ich mache einen. Wenn du einen willst, sagte sie, hob einen Schwamm auf und legte ihn wieder hin.
    Aber nicht nur für mich.
    Ich mache einen.
    Zwei Jahre und achtundsechzig Geliebte später begriff Safran, dass die Bluttränen auf Listas Laken jungfräuliche Tränen gewesen waren. Er erinnerte sich an die Umstände, unter denen ihr zukünftiger Mann ums Leben gekommen war: An dem Morgen, als er zur Sonnenuhr gegangen war, um davor zu knien, war ein Gerüst eingestürzt und hatte ihn unter sich begraben, sodass Lista nur im Geist zur Witwe geworden war, bevor die Ehe vollzogen war und sie für ihren Mann hatte bluten können.
    Mein Großvater war verliebt in das Aroma der Frauen. Er trug es an seinen Fingern wie Ringe und auf der Zunge wie Worte -ungewohnte Kombinationen gewohnter Gerüche. Insofern hatte Lista - obgleich sie wohl kaum die einzige Jungfrau gewesen war und auch nicht die Einzige, mit der er nur einmal geschlafen hatte - einen besonderen Platz in seiner Erinnerung, denn sie war die Einzige, bei der er sich wusch, nachdem er mit ihr geschlafen hatte.
    Heute ins Theater gegangen. So langweilig, dass ich im ersten Akt gegangen bin. Acht Tassen Kaffee getrunken. Dachte, ich würde platzen. Bin aber nicht geplatzt.
    Die Dritte war keine Witwe, sondern eine andere zufällige Theaterbekanntschaft. Wieder ging er auf Einladung eines Freundes dorthin - desselben Freundes, den er Listas wegen versetzt hatte -, und wieder verließ er das Theater ohne ihn.
    Diesmal saß Safran zwischen seinem Schulfreund und einem jungen Zigeunermädchen, das er als eine der Verkäuferinnen auf dem Sonntagsmarkt in Lutsk wieder erkannte. Er konnte ihre Kühnheit kaum fassen: bei einer Schtetl-Veranstaltung zu erscheinen, eine Zigeunerin unter Juden zu sein und die Demütigung zu riskieren, von dem unbezahlten und übereifrigen Platzanweiser Rubin B. erkannt und hinausgeworfen zu werden. Das zeugte von Eigenschaften, die er -dessen war er sicher - nicht besaß, und setzte etwas in ihm in Bewegung.
    Auf den ersten Blick sah der lange Zopf, der ihr über die Schulter bis auf den Schoß hing, für meinen Großvater wie die Schlange aus, die sie auf dem Sonntagsmarkt von einem hohen Korb in einen anderen tanzen ließ, und auch auf den zweiten Blick sah der Zopf so aus. Als das Licht erlosch, hob er mit der Linken den leblosen Arm auf die Lehne zwischen ihm und dem Mädchen. Er machte das so, dass sie den Arm bemerken musste - und stellte erfreut fest, dass ihre weichen, mitleidigen Lippen sich zu einem breiten erotischen Grinsen verzogen - , und als der Vorhang sich öffnete, war er sicher, dass noch in derselben Nacht ihr dünner Rock fallen würde.
    Am 18. März 1791, dröhnte eine Respekt einflößende Stimme hinter den Kulissen, drückte Trachim B.s doppelachsiger Wagen seinen Besitzer auf den Grund des Flusses Brod. Die W.-Zwillinge waren die Ersten, die das seltsame Treibgut an der Oberfläche auftauchen sahen...
    (Der Vorhang öffnet sich und enthüllt eine ländliche Szenerie: ein plätschernder Bach, der vom linken Bühnenhintergrund zum rechten Bühnenvordergrund fließt, viele Bäume und dürres Laub, zwei Mädchen, Zwillinge, etwa sechs Jahre alt, die Wollhosen mit Stoffbändern sowie Leinenblusen mit blau gesäumten breiten Kragen tragen.)
    RESPEKT EINFLÖSSENDE STIMME
    ... drei leere Taschen, chinesische Briefmarken, Kappen von Pilzen, Stecknadeln, Sicherheitsnadeln, purpurrote Stoffproben, die ersten und einzigen Worte eines Testamentes: »Ich vermache alles meiner Liebsten«.
    HANNAH
    (Ein markerschütterndes Heulen)
    (Chana watet ins Wasser, zieht dabei die Stoffbänder ihrer Hosen über die Knie und bahnt sich mit den Händen einen Weg

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