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Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Titel: Alles ist erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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durch die an die Oberfläche treibenden Überreste von TRACHIMS Leben.)
    DER ENTEHRTE WUCHERER JANKEL D.
    (Hüpft durch den Uferschlamm zu den Mädchen) Was tut ihr da, törichte Mädchen? Das Wasser? Das Wasser? Nein, nein, da gibt es nichts zu sehen! Es ist bloß etwas Flüssiges, sonst nichts. Bleibt hier! Seid nicht so dumm, wie ich einst war. Für Dummheit ist das Leben ein zu hoher Preis.
    BITZL BITZL R
    (Betrachtet das Durcheinander von seinem Boot aus, das mit einer Schnur an einer seiner Reusen festgebunden ist) Nanu, was ist dort los? O schlechter Jankel, lass ab von den beiden Zwillingstöchtern des Rabbis!
    SADRA
    (unter einem Schleier von gedämpftem, gelbem Bühnenlicht ins Ohr des zigeunermädchens) Magst du Musik?
    CHANA
    (lacht und spritzt Wasser auf all die Dinge, die rings um sie her wachsen wie ein Garten) Es bringt die wunderlichsten Dinge hervor!
    ZIGEUNERMÄDCHEN
    (im Schatten der zweidimensionalen Bäume, sehr dicht an SAFRANS Ohr) Was hast du gesagt?
    SAFRAN
    (schiebt seinen leblosen Arm mit einer Bewegung der Schulter in den Schoß des zigeunermädchens,) Ich wollte wissen, ob du Musik magst.
    SOFIOWKA N.
    (tritt hinter einem Baum hervor) Ich habe alles gesehen, was geschehen ist. Ich kann alles bezeugen.
    ZIGEUNERMÄDCHEN
    (presst SAFRANS leblosen Arm zwischen ihre Schenkel) Nein, ich mag keine Musik. (Doch in Wirklichkeit wollte sie sagen: Ich mag Musik lieber als alles andere, außer dir.)
    DER ENTEHRTE WUCHERER JANKEL D.
    Trachim?
    SAFRAN
    (unter Staubgeriesel aus den Deckenbalken und mit Lippen, die versuchen, das karamellfarbene Ohr des zigeunermädchens im Dunkeln zu finden) Wahrscheinlich hast du nicht genug Zeit für Musik. (Doch in Wirklichkeit wollte er sagen: Ich bin nicht blöd.)
    SCHLOIM W.
    Dürfte ich erfahren, wer Trachim ist? Ein sterblicher Schnörkel?
    (Der Autor sitzt auf einem der billigen Plätze und lächelt. Er versucht, die Reaktion des Publikums einzuschätzen.)
    DER ENTEHRTE WUCHERER JANKEL D.
    Wir haben noch nicht alles ergründet. Wir müssen uns in Geduld üben.
    STEHPLATZGALERIE
    (ein nicht zu ortendes Flüstern) Das ist so unglaubwürdig! Gar nicht so wie früher.
    ZIGEUNERMÄDCHEN
    (knetet SAFRANS leblosen Arm zwischen ihren Schenkeln, streicht mit den Fingern über den Ellbogen und kneift hinein) Findest du nicht auch, dass es hier drinnen sehr warm ist?
    SCHLOIM W.
    (zieht sich rasch aus und entblößt einen Bauch, der größer ist als die meisten anderen, und einen Rücken, der mit dichten Locken aus schwarzem Haar bedeckt ist) Haltet ihnen die Augen zu. (Nicht ihretwegen. Meinetwegen. Ich schäme mich.)
    SAFRAN
    Ja, sehr.
    DIE TRAUERNDE SCHANDA
    (zu SCHLOIM, der aus dem Wasser an Land watet) War er allein oder in Begleitung seiner ihm vor vielen Jahren angetrauten Frau? (Doch in Wirklichkeit wollte sie sagen: Nach allem, was geschehen ist, habe ich noch immer Hoffnung. Wenn nicht für mich selbst, dann für Trachim.)
    ZIGEUNERMÄDCHEN
    (verschränkt ihre Finger mit SAFRANS leblosen Fingern) Können wir nicht gehen?
    SAFRAN Bitte.
    SOFIOWKA N.
    Ja, es waren Liebesbriefe.
    ZIGEUNERMÄDCHEN
    (erwartungsvoll, nass zwischen den Beinen) Lass uns gehen.
    DER AUFRECHTE RABBI
    Und lasst das Leben angesichts dieses Todes weitergehen.
    SAFRAN
    (Die Musiker machen sich für den Höhepunkt bereit. Vier Geigen werden gestimmt. Ein Probeton aus einer Mundharmonika. Der Trompeter, der eigentlich Oboist ist, lässt die Knöchel knacken. Die Hämmerchen des Klaviers wissen schon, was gleich geschehen wird. Der Taktstock, in Wirklichkeit ein Buttermesser, wird erhoben wie ein chirurgisches Instrument.) i
    DER ENTEHRTE WUCHERER JANKEL D.
    (mit zum Himmel, zu den Beleuchtern erhobenen Händen) Vielleicht sollten wir anfangen, die Überreste einzubringen.
    SAFRAN
    Ja(Musik setzt ein. Wunderschöne Musik. Anfangs gedämpft. Flüsternd. Man hört keine Stecknadel fallen. Nur Musik. Musik, die unmerklich anschwillt. Die sich selbst aus ihrem Grab der Stille herauszieht. Der Orchestergraben füllt sich mit Schweiß. Leises Grollen der Pauken. Pikkoloflöte und Viola. Andeutung eines Crescendos. Vermehrtes Adrenalin, selbst nach so vielen Vorstellungen noch. Es fühlt sich noch immer neu an. Die Musik wächst, erblüht.)
    RESPEKT EINFLÖSSENDE STIMME
    (mit Leidenschaft) Die Zwillinge bedeckten die Augen mit dem Tallith ihres Vaters. (Chana und hannah bedecken die Augen mit dem Tallith.) Ihr Vater intonierte ein langes und intelligentes Gebet für das Baby und seine Eltern. (der

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