Alles muss versteckt sein (German Edition)
springt sofort auf, setzt sich an ihren Computer und öffnet den Briefkasten. Nichts, keine Antwort auf ihren Aufruf. Enttäuscht schließt sie das Fach, starrt blicklos auf den Bildschirm. Nicht so ungeduldig, beruhigt sie sich selbst, du hast es ja gerade erst gepostet.
Am Nachmittag dasselbe Bild, ein leeres Nachrichtenfach gähnt Marie an, niemand meldet sich bei ihr. So geht es auch am nächsten Tag und am übernächsten, die Hoffnung, Elli doch noch zu finden, schmilzt mehr und mehr dahin. Als sie am vierten Morgen wieder um kurz vor sieben am Computer sitzt, kann Marie ihr Glück kaum fassen. Der Button für neue Meldungen in ihrem Postkasten blinkt, sie klickt ihn auf und schreit fast vor Freude auf. Nicht nur eine neue Nachricht hat sie. Es sind gleich zwei!
Die erste ist von Craz y 1978 , die schreibt, sie hätte sich vor zwei Jahren mit Elli hin und wieder gemailt, der Kontakt sei aber im Sande verlaufen und sie wisse auch nicht, wo sie abgeblieben sei. Frustriert schließt Marie die Mail und wendet sich der nächsten zu:
Hi, Helena HH ,
ich weiß nicht, ob ich Dir helfen kann, aber Dein Aufruf klang so dringend. Ich kenne Elli, das heißt, ich hab mir mit ihr mal geschrieben. Vier oder fünf Jahre ist das jetzt her, war ein ziemlich intensiver Kontakt. Wir wollten uns sogar mal treffen, aber da ist sie nicht zur Verabredung gekommen, und danach hab ich nie wieder was von ihr gehört. Ich war ziemlich sauer, dass sie mich so versetzt hat. War extra von Ahrensburg in die Stadt gefahren, und sie ist einfach nicht aufgetaucht, hat sich hinterher nicht mal entschuldigt oder mir erklärt, wo sie war, auch nicht, als ich ihr noch zwei Mal geschrieben habe, eine Antwort von ihr habe ich nie bekommen. Glaube zwar nicht, dass dir das wirklich weiterhilft, aber vielleicht ja doch ein bisschen?
MissMarvellous
Marie kann kaum glauben, was sie da liest. MissMarvellous war auch mit Elli verabredet, und da ist ihre Chatfreundin ebenfalls nicht aufgetaucht? Warum nicht? Weshalb will jemand sich treffen und kommt dann einfach nicht? Oder hatte Elli damals wieder einen Zwangsschub? Oder Angst? Weshalb hat sie sich dann nicht mehr bei MissMarvellous gemeldet, sich für ihr Fortbleiben entschuldigt oder es wenigstens erklärt, so wie sie es bei Marie ja immerhin getan hat? Warum der komplette Kontaktabbruch?
Marie antwortet MissMarvellous , fragt sie, wie und wo genau sie sich mit Elli treffen wollte.
Sie drückt auf »Senden«, trommelt danach nervös mit den Fingern auf ihrem Sekretär herum. Nach einer Weile steht Marie auf und geht hinaus auf den Flur, schleicht auf leisen Sohlen zu Christophers Zimmer, legt ihren Kopf an die Tür und lauscht. Sie kann ihn regelmäßig atmen hören, er schläft, sein Wecker geht erst in einer Stunde los. Sie überlegt, ob sie so lange warten kann, aber dann siegt die Ungeduld. Sie ist zu aufgewühlt, zu durcheinander, sie muss mit jemandem reden. So geräuschlos wie möglich drückt sie die Klinke herunter. Unsinnig, das weiß sie, denn sie will Christopher ja wecken.
Im halbdunklen Zimmer sieht sie ihren Exmann, wie er – alle viere von sich gestreckt – selig schlummernd auf seinem Bett liegt, die Decke runtergestrampelt bis ans Fußende.
»Christopher«, flüstert sie, um ihn nicht zu erschrecken. »Bist du wach?« Sie weiß, wie dumm diese Frage ist, schließlich weckt sie ihn gerade. Christopher gibt einen unwilligen Laut von sich, dann schlägt er die Augen auf.
»Guten Morgen«, murmelt er schlaftrunken. »Was gibt’s denn?« Sein Blick fällt auf den Nachttischwecker. »Es ist ja nicht mal sieben!« Unmut schwingt in seiner Stimme mit.
»Ich weiß, tut mir leid. Aber es hat sich jemand gemeldet, der Elli kennt.«
»Elli?« Er wirft ihr einen verwirrten Blick zu.
»Meine Freundin aus den Zwangsforum«, erinnert sie ihn. »Ich hab dir von ihr erzählt. Und dass ich versuchen will, sie zu finden.«
»Ach ja, stimmt, hab ich vergessen. Wer hat sich denn da gemeldet?«
»Eine andere Frau, die sich auch mit ihr geschrieben hat und mir ihr verabredet war. Und auch bei diesem Treffen ist Elli nicht aufgetaucht.«
»Na und?« Christopher rekelt und streckt sich, gähnt noch einmal so herzhaft, dass ihm dabei die Augen tränen.
»Findest du das nicht komisch?«
»Nein. Kann doch sein, dass sie wirklich zwei Mal vor einem Treffen Angst bekommen hat. Außerdem: Wer weiß schon, wer sich alles so im Netz hinter irgendwelchen Webnamen rumtreibt?«
»Ich weiß nicht«,
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