Alles nach Plan
zu Hause bei Bianca. Er konnte seine Tochter nicht einmal anrufen, um ihr zu sagen, wann sie den Truthahn in den Ofen schieben sollte – immerhin brauchte der Stunden, um gar zu werden.
Wenn sie früher Feierabend machen sollten – und es gab, von Andy einmal abgesehen, keinen Grund, der dagegen sprach –, könnte der Vogel bereits in der Röhre sein. Aber wenn Gavin den ganzen Tag arbeiten musste, würde das Fleisch nur kalt und trocken sein, wenn Curtis den Truthahn vor zwei in den Ofen schob. Verdammt!
Es war eigentlich traurig, dass Andy nicht nach Hause gehen wollte, um Thanksgiving mit der Frau zu feiern, mit der er zusammenlebte. Noch trauriger war allerdings, dass Carrie, seine Freundin, ihn offensichtlich nicht zu Hause haben wollte. Sie war genauso geldgierig wie er und wollte, dass er einen großen Scheck mitbrachte. Wenn sie es gedurft hätte, hätte sie wohl selbst heute gearbeitet.
Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, schneite es draußen wie verrückt. Jede Stunde, die sie länger hierblieben, würde es schwerer machen, nach Hause zu kommen.
Was für ein Chaos. Was für ein trauriges, einsames Chaos.
Alles was Andy wollte, war Geld, und alles was Gavin wollte, war zu gehen – trotz der Tatsache, dass er das Geld natürlich auch gebrauchen konnte. Bis Weihnachten war es nur noch ein Monat und Bee hatte sich eine Armbanduhr und ein Project Runway Make-Up Set gewünscht. Das fiel nicht einfach so vom Himmel. Trotzdem wollte er einfach nur nach Hause in sein kleines Apartment und den Tag mit den wichtigsten Menschen in seinem Leben verbringen: seiner Tochter, Bee, und seinem besten Freund, Curtis. Der Gedanke an die beiden zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht – trotz der Möglichkeit, dass dieser Tag ein völliges Desaster werden konnte.
»Worüber zum Teufel lächelst du denn?«, fragte eine Stimme, die das breite Lachen seiner Tochter aus seinen Gedanken vertrieb – ebenso wie Curtis' attraktives Gesicht mit den hinreißend blauen Augen und dem blonden Haar. Es war Payne, Gavins Arbeitskollege und die einzige Person, die ihn davon abhielt, an diesem Ort wahnsinnig zu werden.
»Nichts«, antwortete er.
»Das ist aber kein Nichts -Ausdruck«, erwiderte Payne.
»Ach Unsinn«, sagte Gavin und hielt dann den Mund. Er sagte nichts mehr. Vor allem nicht über Curtis und darüber, dass er seit zwei Jahren in den Mann verknallt war. Gavin war ihm, seit sie sich das erste Mal getroffen hatten, verfallen, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch mit Steve ausgegangen war – vielleicht hatte er ja irgendwie gewusst, dass der Kerl nicht ganz richtig tickte. Gott! Warum musste Curtis hetero sein?
Dann erkannte er jedoch, dass er dem viel zu scharfsinnigen Payne etwas Handfesteres geben musste und sagte: »Ich hab darüber nachgedacht, wie gern ich jetzt nach Hause gehen würde.«
Payne nickte. »Ja, da sagst du was... Lambert ist auch nicht allzu glücklich darüber.« Lambert war seit unzähligen Jahren Paynes Lebenspartner. Sie waren schon länger zusammen, als Bee auf der Welt war. Die Jahre hatten Payne solchen Angelegenheiten wie Feiertage gegenüber gleichgültig werden lassen. Er sah in Thanksgiving nicht mehr als Kommerz. Lambert dagegen rief Stunde um Stunde an, darauf hoffend, dass Andy einen Hinweis darauf gegeben hatte, wann der Arbeitstag enden würde.
»Wer weiß, wann wir heute hier rauskommen, wenn Scrooge McDuck das Sagen hat«, sagte Gavin und ignorierte die Tatsache, dass Payne ebenso glücklich damit war, einen Haufen Geld zu verdienen.
Am anderen Ende des Raums redete Andy – groß und unverschämt gutaussehend – auf eine untersetzte Reinigungskraft ein. Sie kicherte die ganze Zeit. Es war unhöflich es auszusprechen, aber Andy flirtete immer mit Frauen, die es nicht gewohnt waren, Aufmerksamkeit von teuflisch gutaussehenden Männern zu bekommen. Carrie, Andys Freundin, war selbst nicht wirklich hübsch. Allerdings verdiente sie gutes Geld.
»Das gehört alles zu meinem Plan«, sagte Andy oft. »Versuch dein Glück bei einer schönen Frau und du kannst eine Abfuhr bekommen. Versuch es bei einer hässlichen und du bekommst auf jeden Fall ein Frühstück.«
Widerlich. Absolut widerlich.
»Wir kommen hier niemals raus«, murmelte Gavin zu sich selbst.
Nein. Hör auf, so zu denken! Das macht es nur schlimmer.
Stell dir vor, du bist zu Hause. Er schloss die Augen. Stellte es sich vor. Er sah sich selbst auf der Couch zwischen Curtis und Bee. Wie am Labor Day -Wochenende.
Weitere Kostenlose Bücher