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Wahnsinns Liebe

Wahnsinns Liebe

Titel: Wahnsinns Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Singer
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|7| Eigentlich müßte er erleichtert sein, daß der Kerl tot ist. Mit ihm ist ein Problem aus der Welt, das ihn selbst beinahe umgebracht hat. Was ihn belastet, ist dieser Brief, den er jetzt schreiben muß. Alles würde er zahlen, wenn ihm das jemand abnähme. Aber erstens hat er nicht einmal genug Geld für die fällige Miete, und zweitens gibt es niemanden, der diesen Brief für ihn schreiben könnte. Es ist ja nicht einfach ein Kondolenzbrief an den Bruder des Toten. Es soll ein Drohbrief werden, der auf keinen Fall drohend klingen darf. Aber es muß unmißverständlich daraus hervorgehen, daß sein Name in Zusammenhang mit diesem Todesfall nicht genannt werden darf. Es wissen zwar einige, wie und warum dieser Kerl mit fünfundzwanzig Jahren ums Leben kam. Doch die meisten Mitwisser halten dicht. Und die näheren Umstände seines Todes dürfen sich auf keinen Fall herumsprechen. »Geben Sie seine Kränkungen wegen der ganzen Mißerfolge als Grund für die Tat an«, schreibt er.
    Kann man das so stehenlassen?
    Er zieht ein Taschentuch heraus und wischt sich die Glatze ab. So fest muß er den Füller umklammert haben, daß er eine hartnäckige Delle in den Mittelfinger gedrückt hat.
    Durch das geöffnete Fenster dringt die naßkalte Novemberluft herein. Sie ist schwer vom Geruch des verfaulenden Laubs, doch sie tut ihm gut. Die passende Luft zu seinem Vorhaben. Von nebenan hört er ein |8| dumpfes Geräusch. Als wäre jemand zu Boden gefallen. Nein, er darf jetzt nicht an seine Frau denken. Das würde ihn ablenken von diesem Brief. Er will nicht wissen, was sie gerade macht und wie ihr zumute ist. Obwohl eben das sein Verhängnis geworden ist: daß er von ihr nichts weiß. Weder von dem, was ihr rundlicher, kleiner, weißer Körper begehrt, noch von dem, was sich hinter ihren dunklen Augen abspielt.
    Vor ihm, über seinem Schreibtisch, steht eine Sperrholzwand, beklebt mit einer Girlandentapete. Sie ist nicht einmal an der Decke befestigt, sondern wird nur gehalten von Bücherregalen auf beiden Seiten. Zwei Fotos sind daran festgenagelt: zwei signierte Porträts des Mannes, den er einmal gehaßt hat und nun vergöttert. Von ihr, die er vor siebeneinhalb Jahren geheiratet hat, ist kein Bild zu sehen. Er wüßte nicht mal, in welcher Schublade er eines fände. Und ihr großes Porträt im Wohnzimmer wird er nun wohl vernichten. Oder verschenken. Nur dieses dünne Brett trennt die beiden, doch keine Wand könnte dicker sein.
    Sie hat nicht damit gerechnet, daß er nach ihr schaut; ohne ersichtlichen Grund ist sie gerade gestolpert und hingefallen. Jetzt sitzt sie wieder am Schreibtisch und schreibt schnell, wie gehetzt. An denselben Adressaten wie ihr Mann. »Glauben Sie mir, er hat von uns beiden den leichteren Weg gewählt. Leben zu müssen ist in so einem Fall schrecklich schwer.« Sie setzt ab und schaut auf das Foto im angelaufenen Silberrahmen, das sie, ihren Mann und die beiden Kinder zeigt. Aber sie hat etwas anderes vor Augen: die Leiche eines jungen Mannes mit einer Schlinge um den Hals und einem Küchenmesser in der Brust. So sei er aufgefunden worden, hat man ihr gesagt. Wäre es besser, sie hätte das |9| wirklich gesehen? Dann wären wenigstens die Fragen beantwortet, die sie nun verfolgen.
    Haben seine Augen offengestanden? Ist seine Haut verfärbt gewesen? Was hat er getragen, oder war er nackt? Wer hat ihn angefaßt und wo? Und wie haben sie ihn abtransportiert?
    Sie legt den Füller zur Seite und geht hinüber ins Schlafzimmer. Es ist ungeheizt. Trotzdem zieht sie sich ganz langsam aus und schaut sich an in dem Spiegel, der in die Schranktür eingelassen ist. So sieht eine Frau aus, die zwei schwere Geburten hinter sich gebracht hat und keine Zeit hat, viel für sich zu tun. Sie legt ihre Hände unter ihre Brüste, läßt sie beben, fährt langsam über den weißen Bauch, das Schamhaar, zu den Schenkeln hinunter. Und schließt die Lider. »Diese Frisur entstellt dich. Mach dein Haar auf«, hört sie ihn sagen. Blind greift sie nach oben, zieht die Nadeln und den Kamm heraus. Spürt, wie die Haare fallen und ihren nackten Körper wärmen. Sie öffnet die Augen. Bis zur Taille umhüllt sie dieses dunkelbraune, rötlich schimmernde Fell. »Du bist schön«, hört sie ihn wieder. »Du bist schön und warm und wohltuend. Und ich bin bei dir zu Hause.«
    Die Tür wird aufgerissen. Ihr Mann steht da. »Was machst du hier? Bist du des Wahnsinns? Es ist eiskalt hier.«
    Er dreht sich weg und schlägt die

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