Alles nach Plan
Sie hatten sich Ben Hur auf DVD angesehen und am Ende war Bee eingeschlafen und hatte seine Hüfte als Kissen missbraucht. Und dann war auch er irgendwie irgendwann eingeschlafen. Als die Musik beim Abspann lauter geworden war, war er aufgewacht und hatte festgestellt, dass er selbst ein Kissen gefunden hatte. Auf Curtis' Brust. Und nicht nur das, sein Freund hatte auch noch einen Arm um seine Schulter gelegt.
Gavin war in seinem ganzen Leben noch nie so glücklich gewesen wie in diesem Moment. Er hätte es beinahe versaut, weil er zugelassen hatte, dass das Bedauern darüber, Curtis nicht als seinen Liebhaber bezeichnen zu können, in die Vollkommenheit dieses wunderbaren Tages eingeflossen war. Aber er hatte diese Gedanken schnell verworfen und sich für seine wundervolle Familie dankbar gezeigt. Für seine Tochter. Für einen Freund, der sich in seiner eigenen Männlichkeit und ihrer Freundschaft so wohl fühlte, dass er einen schwulen Freund in den Arm nehmen konnte und Gavin an sich gelehnt schlafen ließ.
Gavin lächelte. Oh, das war ein Tag gewesen. Und heute? Er würde keine Traurigkeit zulassen. Er würde mit Bee und Curtis zusammen sein, egal, wie und wann. Gavin öffnete die Augen. Was er zu sehen bekam, überraschte ihn.
Andy trug einen genervten Ausdruck auf dem Gesicht. Er nickte der kleinen, rundlichen Frau zu und zog dann sein Handy aus der Hosentasche. Er zog eine Augenbraue hoch, antwortete seinem Gesprächspartner und bald wurde der Ausdruck auf seinem Gesicht noch unzufriedener. Er begann, aufgeregt ins Telefon zu sprechen, wedelte dabei mit den Händen und wurde dann plötzlich still. Seine Schultern sackten nach unten, er machte ein finsteres Gesicht, nickte und steckte das Handy schließlich zurück in seine Hosentasche. Er ignorierte die Reinigungskraft, drehte sich um und kam auf Gavin und Payne zu.
»Hey. Wir machen Schluss für heute. Das war Colfer.«
Colfer war die Abteilungsleiterin.
Gavin spürte, wie sein Herz vor Aufregung schneller schlug.
»Sie macht sich beschissene Sorgen darum, dass wir wegen des dämlichen Schnees hier festsitzen könnten«, fuhr Andy fort. »Sie will, dass wir nach Hause gehen. Ist das nicht bescheuert? Ich hab versucht, ihr zu erklären, dass es gar nicht so schlimm ist.«
»Andy«, sagte Gavin und wusste es besser. »Da draußen schneit es wie verrückt. Der Wetterdienst sagt, dass es mindestens dreißig Zentimeter werden sollen. Willst du etwa die Nacht in einem der Hotels die Straße runter verbringen?«
Andy zuckte mit den Schultern. » RMMS würde es bezahlen.«
»Und was ist mit Thanksgiving ?«, fragte Gavin.
»Scheiß auf Thanksgiving . Kalten Truthahn kann ich auch morgen essen. Werde ich sowieso. Hast du auch nur die leiseste Ahnung, wie viel Geld wir verlieren, wenn wir eher gehen?«
»Das ist mir egal«, sagte Gavin, machte auf dem Absatz kehrt und ging auf die Garderobe zu. »Ich hau ab.«
Er lächelte und zog sein Handy aus der Tasche. Einige Augenblicke später war Bee am Telefon. Ihre Stimme war voller Hoffnung, weil er endlich anrief. Gavin grinste. »Sag Curtis, dass er den Vogel in den Ofen schieben soll«, sagte er. »Daddy kommt nach Hause!«
***
Obwohl er sofort aufgebrochen war, hatte Gavin fast eine Stunde für die Strecke gebraucht, die er sonst in zehn, maximal fünfzehn Minuten bewältigte. Der Schnee war wirklich heftig. Er fiel in dichten, rutschigen, großen Flocken. Unter diesen Umständen musste RMMS , diese Geizhälse, wohl einen Tag Schneefrei ausrufen. Auf jeden Fall für die heutige Nachtschicht und vielleicht auch für die morgige. Das wäre doch mal was.
Als Gavin in sein kleines Apartment kam, warf sich Bee sofort in seine Arme und die Freude ließ sein Herz schier platzen. Der Schnee war vergessen.
Er hob den Blick und sah Curtis mit ausgestreckten Armen auf sich zukommen. Er legte seine Arme um Gavin und machte aus ihnen ein menschliches Sandwich. Gavin ging das Herz noch weiter auf. Zu Hause. Er war zu Hause.
Curtis wies ihn an, sich umzuziehen. Gavins Schuhe, Socken und sogar seine Hosenbeine waren durchnässt und kalt vom Schnee. Als er mit schicker, trockener Kleidung aus dem Schlafzimmer kam, lief im Fernsehen bereits der Anfang von Eine Weihnachtsgeschichte . Das war Bees Lieblingsfilm, auch wenn sie ihn schon unzählige Male gesehen hatte. Das war in Ordnung. Gavin war bei seiner Familie.
Nachdem sie die Hälfte des Films gesehen hatten, begann der Duft des Truthahns das Apartment zu erfüllen
Weitere Kostenlose Bücher