Alles nicht so einfach
bei lebendigem Leibe die Haut ab.«
Er lächelte und zog mich zu sich. Um mein Make-up nicht zu verschmieren, küsste er mich auf den Hals, dann bückte er sich und küsste mich auf eine Stelle über dem Herzen, direkt über dem Ausschnitt meines Kleides. Ich umklammerte seine Schultern und mir wurde ganz schwindlig bei seiner Berührung.
»Ich wollte sagen, dass du ganz unglaublich sexy aussiehst«, sagte er. »Ich bin froh, dass du nicht meine Stiefmutter bist.«
Ich lachte. »Ich bin nicht sicher, ob es besser ist, deine Schülerin zu sein.«
Seine Lippen streiften an meinem Hals nach oben, wodurch unsere Gesichter plötzlich ganz nah beieinander waren. Seine blauen Augen – dunkel und dekadent – hatten fast die Farbe meines Kleides.
»Ein Monat«, sagte er. Noch ein Monat, dann war er nicht mehr mein Dozent und ich nicht mehr seine College-Studentin. Ein Monat, danach spielte es keine Rolle mehr, wie wir dazu standen oder wer davon wusste. In einem Monat würden wir miteinander schlafen.
Das war uns wie ein vernünftiger Plan erschienen, als wir krank waren und uns in meiner Wohnung verkrochen hatten. Das gab mir die Zeit, die ich brauchte, um meine Angst in den Griff zu bekommen, und es war sinnvoll, weil wir dann keine Schwierigkeiten bekommen würden. Aber je länger er mich so ansah, wie jetzt gerade, als würde er mich lieben, desto weniger wichtig war es mir abzuwarten.
»Ich wünschte, ich könnte dich richtig küssen«, sagte er und starrte traurig auf meine Lippen, die voll und rot waren von mehreren Schichten Bühnen-Make-up.
»Heute Abend«, sagte ich zu ihm. »Nach der Party. Bei mir?«
Er beugte sich vor, schwenkte in letzter Sekunde von meinen Lippen weg und küsste mich auf diese Stelle unter dem Ohr. Und er
wusste genau,
dass ich davon weiche Knie bekam.
»Ich kann es kaum erwarten. ›Der ganze Wahnsinn rast in mir‹.« Damit zitierte er einen Vers aus dem Theaterstück, was mich daran erinnerte, dass unsere Zeit wahrscheinlich fast abgelaufen war.
»Du gehst jetzt besser, bevor alle anderen zurückkommen. Bedankst du dich bei Kelsey, wenn du hinausgehst?«
»Oh, das mache ich. Das Beste, was mir je passiert ist … dass das Mädchen das mit uns beiden herausgefunden hat.«
Ich wandte mich wieder dem Spiegel zu und vergewisserte mich, dass Make-up und Frisur noch immer perfekt aussahen. »Ich tue jetzt mal so, als hättest du nicht gerade gesagt, dass meine beste Freundin das Beste ist, was dir je passiert ist.«
Obwohl er eigentlich hätte gehen sollen, kam er zu mir zurückgerannt und schlang von hinten die Arme um mich. Er küsste mich ein letztes Mal auf den Hals und sagte: »Ich liebe dich.« Ich sah ihn im Spiegel an. Wir passten gut zusammen – er in seinem Anzug und ich in meinem kunstvollen griechischen Kleid. Irgendwie war es immer noch unglaublich, was wir da hatten. »Ich liebe dich auch«, erwiderte ich.
Ich starrte weiterhin in den Spiegel, nachdem Garrick weggegangen war, und fand, dass ich anders aussah. Das lag nicht nur am Kostüm, der Frisur und dem Make-up, sondern an mir. Ich sah … glücklich aus.
Ich hörte, wie Alyssa uns zum Aufwärmen rief, und holte tief Luft, um mein hämmerndes Herz zu beruhigen.
Heute war der große Tag. Unsere erste
Phädra-
Aufführung.
Die letzte Premiere, an der ich hier teilnehmen würde. Und wenn es nach mir ginge, die Nacht, in der ich meine Unschuld verlor.
Es gibt Momente im Theater, in denen alles genau so kommt, wie es soll. Kostüme und Kulisse waren perfekt, das Publikum war hingerissen und bewegt, und die Schauspielerei ging leicht von der Hand.
Dieser Abend war einer dieser Momente.
Jeder einzelne Schauspieler war mit Leidenschaft dabei.
Und ich … ich lebte ein anderes Leben in diesen zwei Stunden auf der Bühne. Ich lebte die Scham. Es war ein vertrautes Gefühl für mich. Ich lebte die Hoffnung, als die Nachricht vom Tod meines Gemahls kam. Ich träumte, dass Hippolyt vielleicht … vielleicht der meine werden würde. Ich spürte das Entsetzen, als meine Gefühle nicht erwidert wurden und als ich erfuhr, dass mein Gemahl doch nicht ums Leben gekommen war. Ich erfuhr die Qualen des schlechten Gewissens, als Hippolyt wegen meiner falschen Anschuldigungen getötet wurde. Und schließlich spürte ich die Akzeptanz, die Befreiung, als ich meine Verbrechen beichtete, und es war fast, als würde ich spüren, wie das Gift, das Phädra nahm, durch mein Blut strömte und nach meinem Herzen griff. Erst nachdem ich
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