Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
zutreffenderweise hervor. Oder, wie sie es Freunden gegenüber formulierte: »Das Witzige an diesem Projekt ist, dass ich zusehen darf, wie mein Mann sich in eine Hausfrau aus den fünfziger Jahren verwandelt.«
Und zwar in eine provenzalische Hausfrau. Als ich meinen ersten Ausflug in die Welt des Frischkost-Einkaufensunternahm, schwebte mir ungefähr das vor, was ich auf den Märkten in den Dörfern Südfrankreichs und sogar in den kleinen Straßenläden überall in Paris gesehen hatte. Frisches Obst und Gemüse, das lose auf Tischen und in Holzkisten lag. Nichts, was in Tüten, Kartons, Plastikbehältern oder Alufolie verpackt war. Im Höchstfall schlug der Bäcker in seiner rot-weißen Schürze die frisch gebackene kleine Quiche kunstvoll in ein Stück Wachspapier ein.
Baguettes ragten ohne einen Hauch von Papier aus den schicken wiederverwendbaren Einkaufstaschen der Damen heraus. Salatköpfe, Salamis und Pfirsiche tummelten sich schwankend in Fahrradkörben. Nichts, was man auspacken musste, wenn man zu Hause war. Es gab einfach keine Verpackung. Und wenn man ohne seine wiederverwendbare Einkaufstasche loszog und vorsichtig anfragte, ob man möglicherweise eine Plastiktüte haben könne, runzelte der Verkäufer die Stirn und bot einem an, einen der Pappkartons zu nehmen, in der die Ware morgens geliefert worden war.
In Paris habe ich mal gesehen, wie eine Frau, die offensichtlich ungeplant ein paar Sachen eingekauft hatte, ihren Rock zur Tasche umfunktionierte, indem sie den Saum anhob und ihn dann im Gehen kunstvoll auf der richtigen Höhe hielt, so dass die Sachen nicht herausfielen, aber auch niemand ihre Unterwäsche zu Gesicht bekam. In Paris trugen die Leute ihre Einkäufe in Stofftaschen, Rucksäcken und Weidenkörben nach Hause – oder in diesen praktischen Einkaufsnetzen, die man ganz klein zusammengerollt in die Tasche stecken konnte, die aber geräumig genug waren, um die Zutaten für eine komplette Familienmahlzeit zu fassen.
Als ich mich also anschickte, in die Welt des Lebensmitteleinkaufens und Selbstkochens vorzustoßen, war mein erstes Ziel, Wegwerftüten aus meinem Dasein zu verbannen. Ich sollte es wie die Franzosen machen, sagte ich mir, und damit konnte ich gut leben, denn die Franzosen sind cool.
Und was ich als Erstes brauchte, um wirklich umweltbewusst zu sein, beschloss ich, war eins von diesen französischen Einkaufsnetzen.
Lief nicht sowieso schon jeder, der sich auch nur ein bisschen Gedanken um den Planeten machte, mit Stofftaschen herum? Nicht, wenn er so war wie ich. Natürlich hatte ich in periodisch wiederkehrenden Anfällen von gutem Willen solche Stofftaschen gekauft, aber die waren nur allzu bald zerknittert und vergessen in den hintersten Ecken irgendwelcher Schränke gelandet.
Mein Ziel war jetzt, nicht nur eine Alternative zu den Wegwerftüten zu besitzen, sondern sie auch zu benutzen – und zwar immer, ohne Ausnahme. So banal das auch klingen mag, es ist ein gutes Beispiel dafür, wie weit ich von der Ziellinie entfernt war, als ich anfing, und – im übertragenen Sinn – wie weit die Vereinigten Staaten hinterherhinken, was den Umweltschutz angeht. China, Südafrika, Irland, Bangladesch, Taiwan, Uganda und Tansania haben Plastiktüten bereits größtenteils abgeschafft oder nehmen zumindest Geld dafür.
Das war ein einfacher Einstieg für einen Neuling wie mich, der gerade seine ersten Versuche unternahm, umweltbewusst zu leben. Es war lediglich die Eröffnungssalve in meinem Kriegszug gegen den Plastikmüll, der sich in meinem Haushalt ansammelte.
Und es war, genau wie die Stofftücher, die ich nun statt der Papiertaschentücher mit mir herumtrug, ein einfaches Beispiel für meine Hypothese, dass das Bemühen, die riesigen Müllberge aus unserem Leben zu verbannen, nicht Selbstkasteiung erforderte, sondern lediglich die Änderung einiger überholter Verhaltensweisen. Wer würde ernstlich behaupten wollen, auf Plastiktüten zu verzichten sei Selbstkasteiung? Wer käme auf die Idee, mit Plastiktüten wären wir glücklicher?
Laut Auskunft des Worldwatch Institute werfen wir jedes Jahr weltweit zwischen vier und fünf Billionen Plastiktüten weg. Überall auf der Erde verlassen Plastiktüten die Läden, die nur wenige Minuten benutzt und dann weggeworfen werden, und zwar in einer Menge, die ein Hundertfachesüber jeder anderen Ware liegt. Sie sind weltweit das meistbenutzte Konsumprodukt und dementsprechend auch das am häufigsten vorkommende
Weitere Kostenlose Bücher