Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
das so sein? Wann war die Sorge um das eigene Wohl etwas so Nebensächliches geworden, dass man es nur noch als Last empfand, anstatt es zu genießen? Was war so viel wichtiger, dass es meine ganze Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nahm?
Für jede Aufgabe, die zu erledigen war, schien es eine käufliche Wegwerflösung zu geben. Mein ganzes Leben hatte sich in eine Geldbeschaffungsmaschinerie verwandelt, um immer mehr Dinge zu kaufen, die mir das Leben abnehmen sollten. Ich war wie eine Schlange, die ihren eigenen Schwanz verschlang. Als wäre ich nur darauf aus, das Ganze hinter mich zu bringen.
In solchen Momenten, wenn ich das Gefühl habe, nicht mehr zu wissen, wo es langgeht, wende ich mich den Religionen zu. Nicht aus einem Gefühl der Frömmigkeit, sondern um mir das ins Gedächtnis zu rufen, was ich bereits als wahr erkannt habe. Manchmal bin ich zu beschäftigt oder zu gestresst, um die leise Stimme meiner eigenen Weisheit zu hören. Die großen Religionen haben die Fähigkeit, diese Weisheit in Geschichten zu fassen und uns dadurch an sie zu erinnern, so wie Leitplanken uns auf der Fahrbahn halten.
Wir haben einen natürlichen Kompass in uns – unsere angeborene Weisheit –, der uns sagt, wo der richtige Weg liegt, aber die Hektik, in der ich lebte, schien mich bisweilen in eine andere Richtung zu weisen. Meine Großelternhatten mir immer gesagt, ich solle dankbar sein und nichts verschwenden. Ich begriff, dass das, was sie sagten, wichtig war, weil es von ihnen kam und weil daraus echte Überzeugung klang. Die große Frage, die sich mir nun stellte, war: Was hatte es mir gebracht, gegen meinen inneren Kompass anzusteuern? Hatte es mir geholfen oder mich behindert?
Ich will damit nicht sagen, dass ich in die Zeit zurück wollte, als meine Großeltern gelebt hatten. Ich fragte mich nur, ob ich etwas verloren hatte, das den beiden stets erhalten geblieben war, ganz gleich, wie gut oder schlecht die Zeiten waren.
Selbst die modernen Vertreter der Priester, Rabbiner und Zen-Meister – die positiven Psychologen – haben hierzu etwas zu sagen. Sie haben nämlich entdeckt, dass glückliche Menschen ziemlich oft dankbar sind für das, was sie haben, und eher im Augenblick leben. Sie hasten nicht durch das Jetzt, um zum Später zu gelangen. Sie machen aus der Sorge um ihr Wohlergehen und das ihrer Familie keine lästige Pflicht, die sie hinter sich bringen müssen, um sich den schönen Dingen widmen zu können. Für sie gehört jeder Augenblick, wie immer er aussehen mag, zu den schönen Dingen.
Während ich also meine drei großen schwarzen Säcke zum Container schleppte, während ich all die täglich anfallenden Aufgaben erledigte, beschäftigte mich immer wieder der Gedanke, dass diese ganze Verschwendung irgendwie im Widerspruch zu der Möglichkeit stand, mein kurzes Leben zu genießen.
Wenn ich hingegen die Dinge, die durch meine Hände gingen, nicht verschwendete, sondern behandelte, als wären sie kostbar, würde ich dann das Gefühl bekommen, dass auch dieses Leben – das, in dem ich mich jetzt, in diesem Augenblick befand – kostbar war? Und verzeihen Sie bitte, wenn ich verallgemeinere und wenn es so klingt, als wollte ich predigen, aber was wäre, wenn nicht nur ich so dächte, sondern wir alle? Wenn wir, als ganze Kultur, die Dinge behandelten, als wären sie kostbar, könnten wir dann nicht soempfinden und so handeln, als wäre auch das Leben – das, was wir miteinander führen – kostbar? Und unser Planet ebenfalls?
Ich sage das deshalb, weil der Müll, sobald er im Container ist, nicht mehr »mein« Problem ist, sondern »unser« Problem. Etwas, das wir gemeinsam lösen müssen. Wir alle schaden unserer Lunge, wenn wir die Rußpartikel einatmen, die die riesigen Laster ausstoßen, wenn sie buchstäblich Millionen von Kilometern fahren, um unseren Müll wegzubringen. Wir alle trinken das Wasser, das mit Batteriesäure aus Müllhalden verseucht ist. Wir alle haben ein höheres Krebsrisiko, wenn wir die Dioxine einatmen, die bei der Müllverbrennung entstehen. Denn in dem Moment, wo ich mich meiner Wegwerfprodukte entledige, fällt meine Bequemlichkeit der gesamten Menschheit zur Last.
Aber machte es angesichts dieser Müllmassen überhaupt etwas aus, dass ich mir die Nase mit Klopapier geputzt hatte? Gab es nicht einen Planeten, der gerettet werden musste?
Natürlich war es nur ein kleines Stück Papier (beziehungsweise Zellstoff), aber das Problem ist, wie Heather Rogers in ihrem
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