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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Beavan
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auf.«
    Ganz ungerührt griff sie zum Telefon. Einfach so. Und genauso ungerührt erklärte sie ihrer Mutter, es täte uns leid, aber wir müssten den Besuch in Palm Springs leider absagen. Dann sprachen sie noch anderthalb Minuten und legten auf.
    Ich war beeindruckt. »Was hat sie gesagt?«
    Michelle sah mich nur an.
    »Nun?«
    »Sie hat gesagt, ich würde mein Leben völlig deinem unterordnen, und es käme ihr so vor, als wäre ich einer Art Öko-Sekte beigetreten, mit dir als Guru.«
    »Der dich mittels Gehirnwäsche dazu bringt, deine Eltern in ihrer letzten Lebensphase zu vernachlässigen.«
    »Genau.«
    »Meinst du, sie hat recht?«
    Michelle zuckte die Achseln.
    Was sollte ich darauf sagen? Es war ja nicht so, als würde ich die Sichtweise ihrer Mutter nicht verstehen.
    Michelle deutete auf das Telefon. Ich war dran.
    Nein, noch nicht.
     
    So begann die zweite Phase: keine Fortbewegung, die Kohlendioxid produzierte. Im November, zu Beginn des Projekts, als ich noch dachte, das mit dem Müllvermeiden sei einfach, hatte ich beschlossen, wir könnten ruhig auch schon von Anfang an mit der Transportphase loslegen.
    Dank der perfektionistischen Maßstäbe, die ich mir gesetzt hatte, bedeutete CO2-freie Fortbewegung nicht nur keine Flugzeuge, keine Züge und keine Autofahrten an den Strand, sondern auch keine Taxis, keine U-Bahn, keine Busse und keine Aufzüge (ausgenommen zu Michelles Büro, das sich im 43. Stock befand und bei dem die Security keine Treppenbenutzung erlaubte, sowie notwendigen Geschäftsreisen). Während des ganzen Projektjahres würden wir kaum irgendwohin kommen, außer durch Muskelantrieb. Pferde und Segelboote waren erlaubt, aber die waren in Manhattan eher Mangelware. So, wie es aussah, waren Michelle, Isabella, Frankie und ich also auf uns selbst angewiesen. Auch bei Regen, Schnee und Frost.
    Warum keine Aufzüge? Warum keine öffentlichen Verkehrsmittel?, fragten unsere Freunde fassungslos. Sind die öffentlichen Verkehrsmittel denn nicht ein Teil der Lösung, was den Klimawandel betrifft? Ja, sind sie. Aber wenn man als No Impact Man herumläuft, muss man zur Kenntnis nehmen, dass sogar die U-Bahn CO2-Ausstoß verursacht, nämlich bei der Stromgewinnung (obgleich es im Schnitt nur ein Fünftel dessen ist, was dieselbe Strecke mit dem Auto verursachen würde).
    Außerdem hatte ich noch einen weiteren, ganz persönlichen Grund: Ich wollte wissen, was passierte, wenn wir versuchten, mitten in einer riesigen Großstadt weitestgehend ohne die mechanisierte, automatisierte, auf fossile Brennstoffe angewiesene Infrastruktur auszukommen. Bedeutete die Tatsache, dass man jederzeit in eine bewegliche Maschine springen konnte und nie zu Fuß durch die Stadtgehen oder eine Treppe erklimmen musste, tatsächlich eine Verbesserung der Lebensqualität? Oder hatte ein Leben ohne maschinelle Fortbewegung auch seine Vorzüge?
    Durch meine Erfahrungen mit dem Einkaufsnetz wusste ich, was mich erwartete, und so widerstand ich dem Kaufimpuls, als ich hingerissen vor einem funkelnagelneuen Fahrrad mit 15-Gang-Kettenschaltung und Karbonrahmen stand, das in einem Schaufenster an der Sixth Avenue ausgestellt war. Stattdessen holte ich mein altes, schweres rotes Mountainbike aus dem Keller, das dort seit Jahren unbenutzt vor sich hin staubte, abgesehen von den Fitness- und Bauchweg-Anfällen, die mich regelmäßig einmal im Jahr überkamen. Getreu meinem Ethos als No Impact Man brachte ich das Rad zu einem Nonprofit-Laden im East Village namens Recycle-A-Bicycle, wo Jugendliche lernen können, wie man mit gebrauchten Einzelteilen Fahrräder repariert und zusammenbaut.
    Der Inhaber, ein unglaublich schlanker Typ namens Joe (dessen Anblick mir Hoffnung machte, was meine eigene Figur betraf), nahm sich meines Fahrrads an, und mit einer Luftpumpe, etwas Fett und ein paar Kabelzügen erweckte er es wieder zum Leben. Er baute mir noch einen gebrauchten »Multipositionslenker« ein, damit ich aufrechter sitzen konnte und einen besseren Überblick hatte, und ein Paar Schutzbleche, damit ich mich nicht mit ölversetztem Regenwasser und dem Müllsiff aus dem Rinnstein vollspritzte. Mein einstmals rotes Fahrrad war jetzt rot, schwarz und chromfarben.
    »Damit haben Sie ein prima Stadtrad«, erklärte mir Joe.
    Ich fand, es sah ein bisschen aus wie eine Patchworkdecke. Doch als ich Mitglied der New Yorker Fahrradszene wurde und die Aktivisten der Zweiradbewegung kennenlernte, die Mitarbeiter und Helfer einer Organisation mit

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