Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
aufhört, wenn man das Gewünschte bekommt. Es wendet sich einfach dem nächsten Objekt zu. In gewisser Hinsicht ist es falsch zu sagen: »Ich will dies« oder »Ich will das«. Richtiger wäre schlicht: »Ich will.« Wenn ich das Einkaufsnetz bekommen hätte, wäre mir sofort das Nächste eingefallen, was ich haben wollte. Offenbar ist das Habenwollen ein grundlegender menschlicher Drang, der nicht durch die Erfüllung der Wünsche befriedigt wird. Damit stellte sich mir die Frage, ob es mir irgendwann gelingen würde, aus diesem Hamsterrad auszusteigen.
Gleichzeitig fanden Michelle und ich aber auch heraus, dass das, was wir vordergründig haben wollten – das Minibike oder das »normale« Haus –, nur ein Ersatz war für das, wonach wir uns eigentlich sehnten, nämlich dazuzugehören. Wir wollten geliebt werden. Wir wollten das nicht mehr fühlen, was in unserer Vorstellung niemand außer uns fühlte, nämlich Unsicherheit. Wir wollten das Gefühl haben, richtig zu sein, so, wie wir waren.
Gut, wir wollen also unsere Zugehörigkeit zur menschlichenRasse demonstrieren, wir wollen dazugehören – aber woher um alles in der Welt kommt die Idee, dass wir dafür dasselbe besitzen (oder zumindest anstreben) müssen, was alle haben, dass wir dasselbe essen müssen, was alle essen, dass wir dasselbe trinken müssen, was alle trinken? Wir Menschen sind soziale Wesen, und zwar viel mehr, als uns bewusst ist. Wir tun beinahe alles oder lassen uns zu beinahe allem verleiten, wenn nur als Belohnung Liebe winkt.
»Wir schaffen den Fernseher ab«, verkündete Michelle, als ich eines Abends nach Hause kam. Wir hatten den Apparat auf Michelles Wunsch bereits seit ein paar Wochen ausgestöpselt. Unser Fernseher war, nebenbei bemerkt, eins von diesen Ungetümen mit 52-Zoll-Bildschirm, das sehr viel mehr Platz wegnahm, als wir uns leisten konnten.
»Nicht so hastig«, sagte ich. »Vielleicht wollen wir ihn ja wieder benutzen, wenn das Projekt vorbei ist.«
»Das Ding ist ein Ungeheuer«, entgegnete Michelle. »Es hat uns von Anfang an nur Probleme gemacht, und ich will es hier nicht mehr haben.«
Was sie sagte, stimmte. Michelle war, wie sie ja selbst schon zugegeben hatte, im Lauf der Zeit süchtig nach Reality-TV geworden. Wir hatten uns deswegen gestritten. Ich hatte das Gefühl, dass es unserer Beziehung schadete – schließlich war es nicht gerade aufbauend, wenn sie lieber
The Bachelor
sah, als sich mit mir zu unterhalten. Und ein oder zwei Wochen bevor unser Experiment begann, hatte Isabella doch tatsächlich mit ihrer Piepsstimme verkündet: »Will
Bridezillas
gucken, Mommy.«
»Wenn dein Kind erklärt, dass es
Bridezillas
gucken will«, sagte Michelle, »weißt du, dass dir das Fernsehen wichtiger geworden ist als das Muttersein. Raus mit dem Ding. Und keine Diskussionen.«
Für eine Frau, die erst eine Woche zuvor eine kleine Rentenversicherung für Stiefel aufgelöst hatte, war das eine ziemliche Kehrtwende.
Ich dachte darüber nach. Ich dachte an die 2000 bis5000 Werbeeinheiten, mit denen jemand wie Michelle oder ich am Tag bombardiert wird, je nachdem, welche Statistik man zu Rate zieht. Ich dachte daran, dass uns, wie die Konsumaktivistin Annie Leonard in ihrem Online-Video
Story of Stuff
konstatiert, »dreitausendmal am Tag gesagt [wird], dass wir das falsche Haar haben, die falsche Haut, die falschen Kleider, die falschen Möbel, das falsche Auto, dass alles an uns falsch ist, aber dass wir es richtig machen können, wenn wir nur einkaufen gehen«. Und ich dachte: Kein Wunder, dass ich mir wie ein Loser vorkomme, weil ich mir nicht mehr kaufe, was ich will und wann ich es will.
Ich bemühte mich gerade, möglichst keine Rohstoffe unseres Planeten mehr zu konsumieren, und da, mitten in unserer Wohnung, hockte dieses Ungetüm, das mich unablässig mit der Botschaft attackierte, dass ich ein Loser war, wenn ich nicht noch mehr Rohstoffe konsumierte. Wer ein No Impact Man sein wollte, so sagte es mir, war ein Loser. Wem die Müllvermeidung wichtiger war als das Konsumieren, war ein Loser. Mir wurde klar, dass der Feind mitten in meinem Wohnzimmer lauerte.
Damit war die Sache entschieden. Von jetzt an würden wir eine TV-freie Familie sein. Vier Wochen nachdem das Projekt begonnen hatte, veränderten wir nicht nur unseren Lebensstil, sondern unser neuer Lebensstil begann auch uns zu verändern. Michelle schenkte den Fernseher einer Familie, die sonst einen neuen gekauft hätte. Zwei muskelbepackte Kerle
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