Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
marschierten in unser Wohnzimmer, hievten unseren 52-Zoll-Fernseher hoch und trugen ihn hinaus.
5.
Wie man seinen CO2-Ausstoß verringern und gleichzeitig seine Mutter ärgern kann
Ein Dilemma: Nehmen wir mal an, Sie hätten die Wahl, entweder zur Auslöschung von nahezu allem Lebendigen beizutragen, außerdem zur Entstehung gigantischer Stürme, dem Anstieg des Meeresspiegels und zur Ausbreitung tropischer Krankheiten bis zu den Polen – oder aber, indem Sie sich größte Mühe geben, keine Treibhausgase zu produzieren, die Eltern auf beiden Seiten der Familie so richtig zu vergrätzen.
Was würden Sie wählen? Den Zorn der Eltern oder den Zorn des Planeten?
Im Zeitraum zwischen November und Februar hatte meine kleine Familie vier Zug- oder Autoreisen von New York nach Neuengland geplant, wo ich herkomme, und einen Flug nach Palm Springs im sonnigen Kalifornien, wo Michelles Eltern ihr Winterhaus haben.
Wenn man das Ganze aus der Distanz betrachtet – also quasi durch das Teleskop –, sind Flugzeuge lediglich für drei Prozent des weltweiten Ausstoßes von Kohlendioxid verantwortlich, obwohl sie außerdem noch andere Gase in die Atmosphäre pusten, die den daraus entstehenden Treibhauseffekt möglicherweise sogar verdoppeln. Großzügig geschätzt also sechs Prozent. Ist doch nicht viel, oder? Aber das liegt nicht daran, dass Flugzeuge so wenig CO2 produzieren, sondern daran, dass die meisten Menschen auf der Welt es sich nicht leisten können zu fliegen.
Wenn man das Ganze durchs Mikroskop betrachtet, also aus der Perspektive des individuellen Anteils eines privilegierten Bürgers der nördlichen Hemisphäre (wie zumBeispiel mir) an der weltweiten Produktion von Treibhausgasen, jagt ein einziger Langstreckenflug drei Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre, so viel wie im Schnitt die Autofahrten eines ganzen Jahres. Mal abgesehen vom Bau einer eigenen Erdölraffinerie in unserem Badezimmer, ist Fliegen so ungefähr das CO2-Trächtigste, was meine Familie tun kann. Mit anderen Worten: Der Besuch bei Michelles Eltern in Palm Springs war definitiv nicht angesagt.
Also keine Reise nach Südkalifornien mitten im Winter. Kein Swimmingpool. Keine Sonnenbäder, während zu Hause möglicherweise Schnee lag. Keine Wanderungen durch die Berge, Hand in Hand mit meiner Frau. Keine heißen Quellen. Keine Großeltern, die auf die Kleine aufpassten. Dafür jede Menge anstrengende Debatten mit Michelle.
Was die Auto-, respektive Zugfahrten nach Neuengland betraf, so hätte als Erstes ein Besuch in Westport angestanden, zum Thanksgiving-Dinner bei meiner Mutter und zur Babyparty meiner Schwester Susan, die ihr erstes Kind erwartete. Dann wäre es nach Cumberland, Rhode Island, gegangen, zu einem Retreat im Kwan Um Zen Temple, das mein Freund und Lieblingslehrer Zen-Meister Soeng Hwang leitete (mit bürgerlichem Namen Bobby Rhodes). Dann wieder nach Westport, zur Weihnachtsfeier. Dann noch mal nach Westport, zur Geburt von Susans Baby, das Mitte Februar kommen sollte.
Die Telefonate mit meiner Mutter und meiner Schwester würden nicht gerade entspannt verlaufen, wenn ich ihnen mitteilte, dass all dies nicht stattfinden würde. Also legte ich mir einen Plan zurecht. Ich rechnete kurz und Pi mal Daumen aus, wie viel weniger umweltschädlich kurze Zugreisen gegenüber langen Flugreisen waren. Mit diesen Zahlen bewaffnet, wollte ich Michelle davon überzeugen, dass wir den Flug (den Besuch bei ihrer Familie) streichen, während die Zugreisen (die Besuche bei meiner Familie) ja relativ wenig Schaden anrichten würden.
»Wir können nicht guten Gewissens alle diese Reisen unternehmen«, sagte ich.
»Stimmt«, sagte Michelle.
»Na ja, und da der Flug nach Palm Springs viel umweltschädlicher ist als all die anderen Reisen zusammen, dachte ich mir –«
»Kommt gar nicht in Frage.«
»Was kommt nicht in Frage?«
»Dass nur ich verzichten soll. Gut, ich verzichte auf den Besuch bei meinen Eltern, aber nur wenn du auch auf deine Reisen verzichtest.« Michelle hatte mich durchschaut.
Und natürlich hatte sie recht. Außerdem ging es ja gerade darum, nicht dauernd Ausnahmen zu machen. Sonst würde ich nie erfahren, wie der Versuch, umweltneutral zu leben, den Alltag beeinflusste.
Ich drückte mich vor dem Anruf bei meiner Mutter. Michelle hingegen hatte keinerlei Probleme damit, ihre anzurufen.
»Wenn ich meinen Eltern sage, dass es wegen der Arbeit ist, akzeptieren sie das sofort«, sagte sie. »Pass mal
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