Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
uns eineZeitlang im Alltag begleiten und ein Feature darüber schreiben. Was mich bei alldem am meisten überraschte, war die Tatsache, dass dieses Projekt, mit dem ich begonnen hatte, weil ich mich so stumm und hilflos fühlte, mir unversehens eine Stimme gab.
Das Ergebnis des ganzen Thanksgiving-Dramas war folgendes:
Wir wachten an dem Morgen auf und hatten einen freien Tag vor uns. Wir spielten mit Isabella. Wir waren froh, dass wir uns nicht abhetzen und durch den Feiertagsverkehr kämpfen mussten. Da wir nichts Besonderes vorhatten, begannen wir mit einer Ausmist-Orgie und fingen an, die Schränke auszuräumen. Isabella bekam kleine Aufgaben von uns, zum Beispiel alle ihre Spielsachen in einen Kasten zu tun. Sie wollte bei allem dabei sein.
Um drei Uhr nachmittags gingen wir zu John und Debra, einem befreundeten Paar, das uns zu einem vegetarischen Thanksgiving-Dinner eingeladen hatte. Ich brachte einen köstlichen Apple Crumble mit, den ich selbst gemacht hatte, weil ich keinen zum Kaufen fand, der nicht in Pappe, Alufolie oder Plastik verpackt war.
Gegen acht kamen wir nach Hause. Wir waren müde vom Reden und Lachen, aber nicht vom Fahren. Wir hatten auf die Reise verzichtet und einen völlig stressfreien Tag gehabt. Das war für mich revolutionär, denn da meine Eltern geschieden sind, stehen für mich normalerweise zwei Besuche an und damit auch die doppelte Fahrerei.
Ohne den Fernseher hatte ich plötzlich Zeit für meine Meditationsübungen. Michelle und ich hatten Zeit zum Reden. Und nun, da wir den Thanksgiving Day hinter uns hatten, lag ein ganzes, langes Wochenende vor uns, das wir als Familie zusammen verbringen konnten.
Ich will damit nicht einer ökologisch verbrämten Menschenfeindlichkeit das Wort reden. Zu Weihnachten würden wir alle besuchen, aber an diesem Wochenende war Entspannen angesagt. So, wie ich die Dinge sehe, schafftenwir es, zwischen Thanksgiving und Weihnachten unseren CO2-Ausstoß und unseren Stress zu halbieren und gleichzeitig unseren Spaß zu verdoppeln.
Und hier kommt nun die Geschichte, die Michelles Abneigung gegen Fahrräder erklärt. Das Ganze passierte ein paar Monate vor dem Beginn unseres Projekts, als ich noch in der Überlegungsphase war.
Mein bester Freund Tanner war bei uns zu Besuch, um mit Isabella zu spielen, aber später wollten wir uns noch uptown mit unserem gemeinsamen Freund Bill treffen. Kurz zuvor hatte ich gelesen, dass man in New York mit dem Fahrrad schneller ist als mit dem Auto. Was mich aber neugierig machte, war die Frage, wie schnell das Fahrrad im Vergleich zur U-Bahn ist, die ja für gewöhnlich nicht im Stau feststeckt. Also wollten Tanner und ich ein Wettrennen machen. Er würde zu Fuß zur nächsten Haltestelle gehen und die U-Bahn nehmen, während ich mit dem Rad zu Bill fuhr. Mal sehen, wer schneller war.
Also fädelte ich mich durch die Seitenstraßen bis zur Third Avenue und radelte von dort aus uptown. Tanner und ich wollten uns an der Eighty-eighth Street treffen, und ich gab mir Mühe, nicht draufloszustrampeln. Ich wollte eine realistische Vorstellung davon bekommen, welche Variante schneller war. Bis dahin fand ich das Radfahren angenehmer als die U-Bahn. Es war nicht allzu anstrengend, und man bekam wenigstens etwas frische Luft.
Ich fuhr ganz rechts am Fahrbahnrand, aber ungefähr auf der Höhe der Fiftieth Street musste ich einen Schlenker machen, um einem parkenden Auto auszuweichen. Gerade als ich wieder zum Straßenrand einschwenken wollte, hörte ich ein lautes Quietschen hinter mir. Dann hatte ich das surreale Gefühl, plötzlich rasant zu beschleunigen und durch die Luft zu fliegen, und dann – poff!
Als ich auf dem Asphalt lag, war mein erster Gedanke, dass Michelle mich umbringen würde, weil ich mich schon wieder verletzt hatte; Anfang des Jahres hatte ich mir beimSchlittenfahren den Knöchel gebrochen. Als Nächstes stieg ein hünenhafter Kerl aus dem braunen BMW, der mich gerade angefahren hatte. Ich rappelte mich auf und brüllte drauflos wie ein Wahnsinniger. »Was sind Sie denn für ein Arschloch? Was zum Teufel ist so wichtig, dass Sie mich dafür über den Haufen fahren müssen?«
Der Kerl fing ebenfalls an zu brüllen, dann kam eine Frau auf einem Fahrrad mit einem Korb voll Plastikblumen dazu und brüllte den Fahrer an, weil er mich anbrüllte. »Sehen Sie denn nicht, dass er blutet?«, rief sie. Das hatte ich noch gar nicht bemerkt. Der Typ holte sein Handy heraus und rief einen
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