Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Krankenwagen, und ich brüllte wieder los: »Sie haben in Ihr beschissenes Handy gequatscht, als Sie mich angefahren haben!« Ich war völlig außer mir vor Wut. Aus meinem Knie lief das Blut, die Innenseite meiner rechten Hand sah aus wie ein Hamburger, und der linke Daumen schmerzte, wenn ich ihn bewegte.
Der Krankenwagen kam, und ich dachte, ich brauche keinen Krankenwagen, und plötzlich fühlte ich mich schrecklich einsam. Das Heulen der Sirene war schon von weitem zu hören, das Blaulicht blitzte über die Autos hinweg, und irgendwie hatte das Ganze etwas Schönes. Ich dachte: Stell dir vor, es gäbe keine Autos. Wie würden wir dann alle ins Krankenhaus kommen? Und dann: Bestimmt lässt Michelle mich nie wieder aufs Fahrrad – wie sollen wir dann unser Experiment machen?
Als ich im Krankenwagen lag, verband mir ein Sanitäter die Hand, und ein Polizist erklärte mir, ich könne verhaftet werden, weil ich ohne Ausweis Fahrrad gefahren sei. Ich starrte auf die Handys, die beide am Gürtel trugen. Ich hatte meins nicht dabei. Ich musste Michelle anrufen.
Kurzum, ich fragte mich, wie ich es anstellen sollte, mir erstens ein Handy zu borgen und zweitens außer Hörweite zu kommen, denn das Gespräch würde unweigerlich mit dem Satz beginnen: »Schatz, bitte sei mir nicht böse, aber …« Und wer wollte so etwas schon in Gegenwart eines Cops mit rasiertem Schädel und eines Sanitäters mit fingerlosenschwarzen Lederhandschuhen und einer umgedrehten Baseballkappe sagen?
Ich ging zu dem Typen, der mich angefahren hatte, und versicherte ihm, dass mir nichts Schlimmes passiert war. Warum tat ich das? Später erkannte ich, dass ich in dem Moment eine Verbindung zu einem anderen Menschen brauchte, weil mir die Vorstellung nicht behagte, dass ich die Erfahrung, nur knapp dem Tod entronnen zu sein, ganz allein gemacht hatte. Ich brauchte das Gefühl, dass wir das gemeinsam erlebt hatten. Er bot mir nicht an, mich und mein Fahrrad nach Hause zu bringen.
Ich ließ mich auf die Stoßstange des Krankenwagens sinken und trauerte um die Welt. In dieser Situation verstand ich, warum wir uns alle in diesen riesigen, panzerartigen Geländewagen verschanzen wollten. Dann wünschte ich, ich hätte einen solchen Geländewagen und hätte den Typen umgenietet, statt andersherum. Dann schalt ich mich für diesen Gedanken. Und dann begriff ich, dass der Wunsch, uns in Geländewagen zu verschanzen, das eigentliche Problem war.
Schließlich kann einen nichts vor den Unwägbarkeiten des Lebens beschützen. Als ich da blutend auf der Stoßstange des Krankenwagens hockte, spürte ich die Unsicherheit des Lebens mit meinem ganzen Wesen. Man kann ihr nicht entrinnen. Man weiß nie, wann es einen erwischt. Und es nützt nichts, die Welt in Schutt und Asche zu legen und sich selbst in einem Geländewagen zu verschanzen. Bei diesem Erlebnis spürte ich, wie die beiden Rhythmen – Techno und Klassik – aufeinanderprallten.
Ich ließ mich nicht ins Krankenhaus bringen, sondern hob mein verbeultes Fahrrad auf, hievte es auf meine Schulter und ging zur U-Bahn-Station an der Lexington Avenue. Für den Heimweg blieb mir keine Wahl. Ich nahm die U-Bahn.
Der Arzt (zu dem ich am nächsten Tag dann doch ging), erklärte mir, in meinem Handgelenk sei ein kleiner Knochen gebrochen, das Große Vieleckbein. Es sitzt am Ansatzdes Daumens und ist nicht größer als ein Stück Würfelzucker, aber es ist ein sehr wichtiger Knochen, weil viele Bänder daran angeschlossen sind. Ich musste sechs Wochen lang eine Schiene tragen, und zu der Physiotherapie für meinen Knöchel kamen dann auch noch Übungen für die Hand. Ich konnte Isabella nicht hochheben. Ich konnte Frankies Leine nicht halten. Und schwimmen konnte ich den Sommer über auch nicht.
Außerdem bekam ich natürlich eine Predigt von Michelle zu hören, weil ich nicht auf ihre Warnungen gehört hatte, weder beim Schlittenfahren noch beim Radfahren. Einmal, als wir aus dem Kino kamen, sagte ich genervt zu ihr: »Also schön, ich geb’s zu, du hast Evel Knievel geheiratet. Ich bin Evel Knievel, der verrückteste Stuntman aller Zeiten. Wenn du noch irgendwas zu dem Thema loswerden willst, nenn mich Evel!«
Ob Sie’s glauben oder nicht, sie hörte mit ihrer Predigt auf, lächelte und sagte: »Okay, Evel.«
Wir gingen durch die Glastür und hinaus auf die Thirteenth Street. »Sag das noch mal.«
»Was denn?«
»Das mit Evel Knievel.«
»Ich bin Evel Knievel, okay? Also halt die Klappe und nenn
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