Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
waren (nach den Vorgaben des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums sind immerhin noch 75 verschiedene Lebensmittelchemikalien zugelassen), dass sie weniger Umweltverschmutzung verursachten als die aus dem konventionellen Anbau und dass unsere Milch frei war von Antibiotika und Wachstumshormonen und Isabella somit nicht schon mit zehn Jahren Brüste bekommen würde. Aber so einfach war es nicht.
Wie sich zeigte, würde ich im Gegensatz zur Müllvermeidung und der CO2-freien Fortbewegung bei der umweltverträglichen Ernährung keine Pionierarbeit leisten. Es hatten sich schon etliche Leute über diesen Aspekt unseres neuen Lebensstils Gedanken gemacht. Und die echten Anhänger gaben sich nicht damit zufrieden, einfach das Etikett zu wechseln, selbst wenn auf dem Etikett »Bio« stand.
Leute, denen es mit der umweltverträglichen Ernährung ernst war, gingen einen Schritt weiter und aßen nur Produkte, die innerhalb eines bestimmten Umkreises von ihrem Wohnort erzeugt worden waren. Deshalb hatte ich den Ausflug zum Wochenmarkt unternommen, und nun musste ich zusehen, wie ich aus meiner Beute etwas zustande brachte, das Michelle und Isabelle tatsächlich essen würden.
Es war ein Irrtum anzunehmen, dass Produkte aus Bioanbau zugleich umweltneutral im Sinne meines Projekts sein würden. Seit Unternehmen wie die Zigarettenfirma Philip Morris, der Nahrungsmittelhersteller H. J. Heinz und der Konsumgüter-Gigant Sara Lee alles daransetzen, so viel wie nur möglich vom amerikanischen Biomarkt aufzukaufen, der mittlerweile einen Umsatz von 17,7 Milliarden Dollar erreicht hat, muss man sich fragen, was »biologisch« überhaupt bedeutet. Ja, die Produkte sollen weniger Schadstoffe enthalten, aber wie weit kann man als Bürger darauf vertrauen, dass diese Riesenfirmen – oder das Landwirtschaftsministerium – das mit dem Umweltschutz tatsächlich ernst nehmen?
Ich habe gelesen, dass das Landwirtschaftsministerium im April 2004 auf Drängen mehrerer großer Lebensmittelhersteller einwilligte, Farmen auch dann das Biosiegel zu geben, wenn sie Wachstumshormone verwendeten, nicht biologisch erzeugtes Fischmehl an ihr Vieh verfütterten und diverse Pestizide auf die Felder sprühten. Erst nach massiven Verbraucherprotesten gab das Ministerium dieses Vorhaben wieder auf.
So stieß ich einen tiefen Seufzer aus, nahm mir vor, es besser zu machen, und gab die Stichworte »umweltverträgliche Ernährung« bei Google ein. Doch ganz gleich, welche Seiten ich mir auch ansah, es führte alles zu demselben Ergebnis: Ich würde tatsächlich lernen müssen zu kochen. Und zwar nicht nur Pasta. Sondern richtige Mahlzeiten aus frischen Lebensmitteln vom Markt.
Zu meinem Entsetzen entdeckte ich, dass es zwei echte Hardcore-Vertreter der regionalen Küche gab, nämlich einAutorenpaar aus Vancouver, Alisa Smith und James McKennan, die sich vorgenommen hatten, ein Jahr lang nur Lebensmittel zu essen, die innerhalb eines Umkreises von 150 Kilometern um ihren Wohnort erzeugt worden waren. Im Internet hatten sie bereits Kultstatus erreicht. Sie hatten – zumindest aus meiner Sicht – die Messlatte für umweltverträgliche Ernährung verdammt hoch gelegt.
Ich biss die Zähne zusammen, rief den Verleger ihres demnächst erscheinenden Buches an und bekam Alisas Mailadresse. Wir schrieben uns ein paarmal hin und her, und schließlich telefonierten wir.
Ihr Projekt hätte damit begonnen, erzählte Alisa mir, dass sie und James sich Sorgen um die Nachhaltigkeit unseres Ernährungssystems machten. In Nordamerika legt jedes Nahrungsmittel vom Erzeuger zum Verbraucher im Durchschnitt etwa 3000 Kilometer zurück. Ein groteskes Beispiel: Der Erdbeerimport erreicht in Kalifornien seinen Höhepunkt zu der Zeit, wo sie dort ohnehin reif sind – und umgekehrt ist der New Yorker Lebensmittelmarkt zum hiesigen Erntezeitpunkt überflutet mit kalifornischen Erdbeeren. Siebzehn Prozent des gesamten Ölverbrauchs in den Vereinigten Staaten – und damit auch siebzehn Prozent der entsprechenden Treibhausgase – gehen auf das Konto der Landwirtschaft.
Während ich mit Alisa sprach, stiegen in mir zwei ziemlich unterschiedliche Gefühle auf. Das Eine war das Gefühl, nach Hause zu kommen. Bis zu dem Moment war mir gar nicht klar gewesen, wie einsam ich mich mit meinem Projekt gefühlt hatte. Durch den Austausch mit Alisa, die sich die gleichen Sorgen machte wie ich und ebenfalls auf der Suche nach einem befriedigenderen und umweltschonenderen Lebensstil war,
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