Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Ecke gibt.
Umweltschonender Anbau, Versorgung mit guten, frischen Lebensmitteln, artgerechte Tierhaltung und ein regionales Vertriebsnetz waren die Hauptziele der ersten engagierten Bauern, die Mitte des vorigen Jahrhunderts mit dem ökologischen Landbau begannen. Der Auslöser für diese neue Ausrichtung war vor allem ihre Sorge um die Auswirkungen, die stetig zunehmende Umstellung auf riesige, auf ein Erzeugnis konzentrierte Großbetriebe auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen haben könnte.
Wissenschaftler hatten nämlich herausgefunden, dass die nitrogenhaltigen Chemikalien, aus denen zu Kriegszeiten Sprengstoffe hergestellt worden waren, als synthetischer Dünger verwendet werden konnten. Ebenso ließen sich die Giftgase zu Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln umfunktionieren. Dadurch wurden die Fabriken aus Kriegszeiten am Leben erhalten, und eine neue, industrialisierte Form der Landwirtschaft entstand, die auf die vermeintlich antiquierten, aber ökologisch sinnvollen Praktiken wieFruchtwechsel, Brachfelder und die Verwendung von Tierdung nicht mehr angewiesen war.
Der Sieg des industrialisierten Anbaus führte dazu, dass die ökologische Landwirtschaft, die sich weigerte, die »modernen« Methoden zu übernehmen, und bei ihren kleinen, regional orientierten Höfen blieb, immer mehr an den Rand gedrängt wurde – zumindest bis Anfang der sechziger Jahre Rachel Carsons Buch
Der stumme Frühling
erschien, in dem die Risiken des Einsatzes von Pestiziden thematisiert wurden.
Plötzlich forderten die Verbraucher chemikalienfreie Lebensmittel. Die »altmodischen« Bauern, die den ökologischen Landbau entwickelt hatten, begannen ein Regelwerk zu erstellen, das landesweit verwendet werden konnte. Als der Biosektor zusehends wuchs, schauten schließlich auch die Großproduzenten genauer hin, aber nicht weil der ökologische Anbau gesund, ausgewogen und umweltschonend war, sondern weil er eine Verbraucherschicht ansprach, die bereit war, für Lebensmittel mehr zu zahlen.
Als das amerikanische Landwirtschaftsministerium 2002 schließlich verbindliche Richtlinien für den ökologischen Anbau erließ, hatten die Biobauern ihren langjährigen Kampf gegen die Interessen der Großproduzenten in mancherlei Hinsicht verloren, obwohl zumindest einige von ihnen meinten, bescheidene Richtlinien seien immer noch besser als gar keine. Sie wollten einen Standard, der tatsächlich auch vom gesamten amerikanischen Lebensmittelsektor umgesetzt werden konnte.
Doch es ist nicht zu leugnen, dass die staatlichen Richtlinien viele wichtige Grundsätze der sozialen, ethischen und ökologischen Verantwortung, auf denen die Biobewegung aufbaute, außen vor ließen. Eine Biokuh brauchte nicht auf einer Weide zu stehen. Biohühner und -schweine konnten ohne Freilauf gehalten werden. Bei der Verarbeitung durften alle möglichen Lebensmittelzusätze und synthetischen Chemikalien verwendet werden. Aber das Schlimmste war, dass auch ein industrieller Großbetrieb dasBiosiegel bekommen konnte. Die Richtlinien waren so verwässert, dass sie einige der Praktiken zuließen, deretwegen die ökologische Bewegung überhaupt erst entstanden war.
Aus diesem Grund, so erzählten mir Paula und Cara, bezeichneten sich manche der Bauern aus der Gegend, die auf den Märkten ihre Stände hatten, als »extra-bio«. Auch ohne dass es ihnen irgendjemand vorschrieb, ließen die meisten dieser Bauern ihre Tiere auf die Weide, brachten nur ökologisch unbedenkliche Medikamente zum Einsatz, betrieben Fruchtwechsel, pflanzten alte Sorten und belieferten schlecht versorgte Gegenden mit frischen Produkten.
»Also sind alle Höfe hier in der Umgebung ökologisch?«, fragte ich.
»Die meisten von ihnen gehören der Biobewegung an, auch wenn nicht alle das staatliche Siegel haben. Für viele Kleinbauern ist der Antrag zu teuer und zu aufwendig.« Sogar die Antragsbedingungen des Landwirtschaftsministeriums waren auf größere Farmen ausgerichtet.
»Aber wenn die Leute kein Siegel haben, woher weiß man dann, dass die Produkte wirklich aus Bioanbau sind?«
»Man sieht ihnen in die Augen und fragt sie. Das ist das Schöne an den regionalen Produkten. Man kann mit den Bauern reden und sie fragen, mit welchen Methoden sie arbeiten, und danach entscheidet man dann, bei wem man kauft.«
Nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich ist es besser, wenn die Großbetriebe zumindest die bescheidenen staatlichen Richtlinien umsetzen und uns,
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