Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
kam ich mir vor wie das hässliche Entlein, das endlich zu den Schwänen gefunden hatte. Alisa hielt mich nicht für einen Spinner. Und obwohl sie und James als Öko-Helden ziemlich beschäftigt waren, erklärten sie sich bereit, mir ein wenig Hilfestellung zu geben.
Doch mein anderes – vorübergehendes – Gefühl war das von Rivalität. Wer von uns war der bessere Umweltretter? Wenn sie einen Lebensmittel-Radius von 150 Kilometern hatten, sollte ich dann vielleicht hundert nehmen?
Dann fing Alisa von Weizenmehl und Salz an. Sie hatten lange kein Brot essen können, erzählte sie mir, weil sie kein regional erzeugtes Mehl bekamen. Monatelang hatten sie nach einem Bauern in ihrer Gegend gesucht, der Weizen anbaute, und nach einem Müller, der ihnen das Getreide mahlte. Plötzlich erschien mir alles noch viel schwieriger. Daran hatte ich nicht gedacht. Es ging nicht nur darum, regional erzeugte Lebensmittel zu kaufen, sondern auch sämtliche Zutaten mussten aus der Umgebung stammen.
Schließlich hatten Alisa und James eine Lösung für ihr Salzproblem gefunden: Sie ruderten mit dem Boot hinaus in die Bucht, füllten einen Eimer mit Meerwasser und setzten ihn zu Hause auf den Herd, bis das gesamte Wasser verkocht war und nur das Salz übrig blieb.
Was die Rivalität betraf, kam ich mir vor wie Popeye, der gegen Bluto zum Armdrücken antritt – und zwar ohne eine Portion regional erzeugten Spinat.
»Aber wir mussten uns nur über das Essen Gedanken machen«, sagte Alisa. »Nicht über die ganzen anderen Dinge, die Sie außerdem noch im Programm haben. Sie müssen sich selbst überlegen, welche Maßstäbe Sie setzen.«
Was Alisa damit meinte, war, ich sollte mich nicht überfordern. Sie entließ mich aus der Pflicht. Vielleicht sollte ich es mir nachsehen, wenn ich angesichts der Müllvermeidung, der CO2-freien Fortbewegung und der folgenden, noch schwierigeren Projektphasen bei der Ernährung nicht dieselben strengen Maßstäbe anlegte wie sie und James. Erleichtert akzeptierte ich die Niederlage in meinem eingebildeten Wettstreit und hörte auf, mich mit ihnen zu messen. Ich war einfach nur froh, Verbündete gefunden zu haben. Von nun an würden Alisa und James meine regionalen Ernährungsberater sein.
Alisa und James hatten die 150 Kilometer nicht zufälliggewählt, um ihre Einsatzbereitschaft unter Beweis zu stellen, sondern weil das Ackerland um Vancouver herum nach drei Seiten begrenzt war, nämlich durch die Cascade Mountains im Osten, die Coast Mountains im Norden und die Boundary Bay im Süden. Aufgrund dieser geografischen Grenzen konnten sie Nahrungsmittel nur aus einem Umkreis von 150 Kilometern bekommen oder aus Gegenden, die mindestens 450 Kilometer entfernt waren.
Um meine eigenen Maßstäbe für regionale und nachhaltige Ernährung festzusetzen, fuhr ich ein bisschen mit dem Rad herum und holte weitere Informationen ein. Als Erstes traf ich mich mit Paula Lukats und Cara Fraver von Just Food, einer der allerersten Organisationen (gegründet Anfang der neunziger Jahre), die sich für umweltfreundliche Ernährung eingesetzt haben, indem sie für Obst- und Gemüseanbau innerhalb der Städte geworben und direkte Kontakte zwischen Bauern aus den ländlichen Gebieten und Einwohnern von New York City hergestellt haben. Anders ausgedrückt, waren Paula und Cara entscheidend daran beteiligt, Bauernmärkte und sogenannte Gemeinschaftshöfe einzuführen, wo sich eine Gruppe von Verbrauchern mit einem Landwirt zusammenschließt und ihm für eine bestimmte Zeit eine Abnahmegarantie gibt.
Wir setzten uns in den Besprechungsraum von Just Food, und Paula und Cara versicherten mir, dass die fruchtbaren Böden des Hudson River Valley und in den angrenzenden Regionen von New Jersey und Connecticut genügend Nahrung erzeugten, um mich und meine Familie vor dem Verhungern zu bewahren. Und im Gegensatz zu James’ und Alisas Situation in Vancouver gab es hier keine geografischen Grenzen, die eine klare Unterscheidung zwischen regionaler und weit entfernter Produktion ermöglichten.
»Wir arbeiten mit jedem Bauern zusammen, der innerhalb eines Tages in die Stadt fahren, seine Produkte abliefern oder verkaufen und wieder zu seinem Hof zurückfahren kann«, sagte Paula.
»Wie weit ist das?«, fragte ich.
»400 Kilometer.«
Das war’s: 400. Das würde auch mein Radius sein.
Da ich die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben mochte, dieser Regionalregel zu entgehen, erwähnte ich, dass ich einen Artikel
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