Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
im
Economist
gelesen hatte, demzufolge regionale Produkte auch umweltschädlicher sein können als importierte. So ist beispielsweise der Verbrauch an fossilen Brennstoffen bei Tomaten, die in Spanien auf dem Feld angebaut und nach Großbritannien transportiert werden, niedriger als bei Tomaten, die in Großbritannien im Treibhaus angebaut werden.
»Wenn es Ihnen vor allem um CO2-Emissionen geht, dann sollten Sie nur das essen, was hier je nach Jahreszeit zu bekommen ist«, meinte Paula. Sprich: Keine Treibhaustomaten mehr, egal woher sie kamen.
»Und was gibt es jetzt so?«, fragte ich, denn schließlich hatten wir Januar.
»Hmm … jede Menge Kohlsorten, Wurzelgemüse und Kartoffeln.«
»Und es gibt Leute, die so was essen?«
»Die Leute haben das jahrtausendelang gegessen, allerdings ergänzt durch Eingemachtes. Dafür sind Sie aber zu spät dran.«
»Das heißt, ich darf jetzt Kohlsuppe in rauen Mengen essen?«
Die beiden lachten.
»Und ich nehme an, es gibt hier in der Gegend auch nicht allzu viele Kaffeeplantagen, oder?«
Wieder lachten sie.
»Aber Pfefferminztee können Sie sogar auf der Fensterbank anbauen«, sagte Paula aufmunternd.
Michelle trank jeden Tag vier Iced-Quad-Espressos aus ihrem mitgebrachten Becher. Der Vorschlag, auf Pfefferminztee zu wechseln, wäre ungefähr so, als würde man einem Heroinsüchtigen ein Eis in die Hand drücken und ihm sagen, er solle sich am Zucker berauschen.
Während ich im Geist das Risiko einer drohenden Scheidungabwog, falls ich Michelle mit dieser Idee kam, erklärten mir Paula und Cara enthusiastisch, dass der Einkauf bei regionalen Erzeugern noch viel mehr Vorzüge habe als die Vermeidung von transportbedingten Treibhausgasen. Kleinbauern würden nämlich das eigene Land sehr sorgfältig pflegen und sich viel eher um einen umwelt- und rohstoffschonenden Anbau bemühen als Großproduzenten.
Tatsächlich produzieren, wie Bill McKibben in seinem Buch
Deep Economy
darlegt, kleine, regionale Höfe mehr Nahrungsmittel pro Hektar als industrielle Großbetriebe und nutzen Land, Wasser und fossile Brennstoffe effizienter. Derzeit ist die Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten die größte Quelle der Wasserverschmutzung, der größte Wasserverbraucher und die Hauptursache für Bodenerosion und den Verlust von Grasland und Marschen.
Düngemittel aus dem Corn Belt im Mittleren Westen werden in den Mississippi gespült und landen im Golf von Mexiko. Der Dünger erzeugt im Meerwasser eine massive Algenpest, was dazu führt, dass dort im Golf eine Fläche von 20 000 Quadratkilometern vollkommen abgestorben ist, weil sie so gut wie keinen Sauerstoff mehr enthält und sämtliches Meeresgetier dort erstickt. Die staatliche Umweltschutzbehörde schätzt, dass jedes Jahr 90 000 Tonnen Düngemittel im Golf von Mexiko landen.
Darüber hinaus bringt die Zentralisierung unserer Landwirtschaft auf riesige Industriefarmen ein hohes Sicherheitsrisiko mit sich, was die Kontamination von Lebensmitteln betrifft. Im vergangenen Jahr hatten wir dank unseres einseitigen Produktionssystems eine Salmonellenepidemie, die zum landesweiten Rückruf von Tomaten führte, dann gab es einen Skandal um Spinat, der mit Kolibakterien verseucht war, und schließlich rief eine kalifornische Firma 65 000 Tonnen Rindfleisch zurück, die größte Rückrufaktion in der Geschichte.
Doch es gibt noch mehr Gründe, warum es für die Umwelt, für unsere Gesundheit und für die Gemeinschaft besser ist, die Lebensmittelproduktion in die Hände vonKleinbauern zu geben – also Menschen und nicht riesigen Unternehmen. So ist beispielsweise die Landwirtschaft im Staat New York, in New Jersey und Connecticut einer der wenigen Faktoren, die die ständig fortschreitende Bebauung bremsen. Und bei einer noch dichteren Bebauung wäre unter anderem die Trinkwasserversorgung von New York City gefährdet.
Darüber hinaus sind die Kleinbauern in den Vereinigten Staaten wichtig für den Erhalt der Sortenvielfalt und die Versorgung mit frischen Erzeugnissen. Im Jahr 2000 wurden auf 85 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen nur vier Erzeugnisse angebaut: Mais, Soja, Weizen und Heu. Daraus werden dann Fertigprodukte hergestellt oder Viehfutter, um Hamburger zu produzieren, die wiederum zu dem massiven Übergewicht der Amerikaner beitragen. Kleinbauern hingegen bringen über Märkte und Kooperativen frisches Obst und Gemüse in Gegenden, wo es sonst nur McDonald’s, KFC und den kleinen Laden an der
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