Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
ziehe dir da drüben eine Pfefferminzpflanze und koche dir jeden Morgen einen Tee.«
Ich schenkte ihr mein treuherzigstes Lächeln, doch Michelle starrte mich nur ungläubig an.
Ein Dankgebet, das in unserem Haushalt niemals zu hören sein würde: »Danke für den Pfefferminztee, Colin.«
Und so arbeitete ich mich in diesen kalten Januar- und Februarwochen immer wieder von einem Ende des Bauernmarktes zum anderen, um zu lernen, wie das Ganze funktionierte. Anfangs wusste ich nicht, was wo zu finden war. Und das Prozedere war vollkommen anders als beim normalen Einkaufen und Kochen. Man konnte nicht einfach im Kochbuch blättern, sich ein Rezept raussuchen und dann losgehen und die Zutaten kaufen. Stattdessen ging man über den Markt, sah sich um, was es gab, und zu Hause überlegte man sich dann, was man aus dem Erstandenen kochen könnte.
»Sie werden gezwungen sein, mit Gemüsesorten zu experimentieren, die Sie noch nie zuvor ausprobiert haben«, hatten Cara und Paula ganz aufgeregt gesagt, als wäre das etwas Wunderbares.
Ich fand einen koreanischen Bauern, der auf Long Island seine eigenen Sojabohnen anbaute und daraus Tofu machte. Toll (aber nicht für unsere allergische Isabella). An einem Bäckerstand fragte ich, ob das Mehl, das sie verwendeten, aus einem Umkreis von 400 Kilometern stammte, aber die Antwort war nein. Nicht so toll. Andererseits entdeckte ich die Blew Farm, die Weizen- und Hafermehl aus Pennsylvania verkaufte, was noch in meinem Radius lag. Ich konnte also selbst Brot backen. Ob das toll war oder nicht, würde sich erst noch zeigen.
Ich kaufte, was gut aussah und wovon ich annahm, dassich etwas daraus machen konnte. Ich tastete mich vorwärts. Das war der abenteuerliche Teil, den die kulinarischen Experten der regionalen Küche so aufregend finden.
Vor der Ernährungsphase hatte ich nirgends akzeptablen Käse gefunden, weil er immer in Plastik verpackt war. Aber hier war das kein Thema. Der Käse wurde frisch vom Laib geschnitten und in Papier eingewickelt. Um meinen Prinzipien treu zu bleiben, holte ich an einem Käsestand etwas verlegen mein mitgebrachtes Stoffstück heraus, um das Papier nicht nehmen zu müssen. »Das haben wir früher alle so gemacht«, sagte der Verkäufer anerkennend.
Nach und nach wurde ich lockerer und kam mit den Leuten ins Gespräch. Ich fragte die Bauern sogar, ob sie Chemikalien verwendeten. Einer von ihnen sagte: »Wenn es wirklich nötig ist, sprühe ich ein Schädlingsbekämpfungsmittel, aber an den Sachen, die ich verkaufe, können Sie sehen, dass ich es dieses Jahr nicht benutzt habe.« Er meinte damit, dass sein Obst und Gemüse nicht so makellos war wie das in den Supermärkten.
Während dieser mageren Wintermonate bestanden meine Vorräte hauptsächlich aus Eiern und Haferflocken (fürs Frühstück), Kartoffeln, Lauch, Kohl, Möhren, Speiserüben, Pastinaken, verschiedenen Käsesorten, selbstgebackenem Brot, Milch, Zwiebeln, Butter und natürlich Steckrüben.
Ich briet den Lauch an, vermischte ihn mit aufgeschlagenen Eiern, bröselte Käse darüber, schob das Ganze in den Ofen, und wenig später hatten wir eine Frittata. Dazu gab es einen Salat aus geraspeltem Kohl. Morgens machte ich uns Haferbrei. Michelle bekam einen Vorratsbehälter mit einem Stück Frittata und einem Rest Salat mit zur Arbeit. Abends kochte ich uns eine Lauch-Kartoffelsuppe.
Eine neue Familienroutine stellte sich ein. Während ich kochte, saß Michelle am Tisch und unterhielt sich mit mir. Isabella stand auf einem Stuhl an der Arbeitsfläche und »half« mir. Schon nach wenigen Tagen drängte sich uns der Vergleich mit unseren bisherigen Essensgewohnheiten auf, wo wir uns vor den Fernseher gehängt und irgendein fettigesTake-away-Gericht in uns hineingeschaufelt hatten. Nun redeten wir miteinander. Statt des Fernsehers war jetzt der Küchentisch das Zentrum unseres häuslichen Lebens. Wir sprachen auch mehr mit Isabella als früher.
Die Suppe war fertig. Ich stellte sie auf den Tisch. »Mmh, die ist lecker«, sagte Michelle.
»Das brauchst du nicht zu sagen.«
»Aber ich meine es ernst. Ich will, dass wir für den Rest unseres Lebens so essen. Was haben wir bloß die ganze Zeit gemacht?«
Das Schwierigste am Kaffeeverzicht war, dass ich mich nicht mehr ins Café setzen konnte. Schließlich geht es beim Kaffeetrinken ja nicht immer nur um den Kaffee, sondern auch um einen Vorwand, sich irgendwo nett hinzusetzen und so zu tun, als läse man die Zeitung, während man in
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