Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
uns um eine gesunde Ernährung kümmerten.
Außerdem hat eine britische Studie gezeigt, dass die Leute fast genauso viel Zeit damit zubringen, zum Supermarkt zu fahren, einen Parkplatz zu suchen und durch die Regalreihen zu laufen, um sich ihre Tiefkühlpizza und ihren abgepackten Salat zu holen, wie die Leute vor zwanzig Jahren brauchten, um selbst eine richtige Mahlzeit zuzubereiten. Und was ist mit der Zeit, die dafür draufgeht, dasGeld für Restaurants, Pizzaservice und Fertiggerichte zu verdienen?
Woher nahm ich die Zeit fürs Brotbacken?
Je länger dieses Projekt dauerte, desto rückständiger erschienen mir viele Dinge. Wie war es möglich, dass ich mich so lange mit dem pappigen Zeug zufriedengegeben hatte, das im Supermarkt unter der Bezeichnung »Brot« verkauft wurde? Wieso hatte ich nicht etwas Besseres verlangt? Hatte ich überhaupt gewusst, dass es etwas Besseres gab?
Wenn ich über mein Leben nachdachte und darüber, wie es aussehen sollte, hatte ich meine Zweifel, ob die Frage, woher ich die Zeit zum Brotbacken nahm, die richtige war. Genau wie ähnliche Fragen, die ich mir manchmal selbst gestellt hatte: Woher soll ich die Zeit nehmen, mich mit meinem Kind zu beschäftigen? Wie konnte ich zulassen, dass mein Leben so wurde, wie es jetzt ist?
Vielleicht sollte die Frage eher lauten: Hatte ich in der Zeit vor dem Projekt so gelebt, wie ich leben wollte? Und wollte ich nach dem Ende des Projekts wieder so leben?
Eines war mir inzwischen klargeworden: Es war ein Luxus, überhaupt in der Lage zu sein, diese Änderungen im Lebensstil umzusetzen. Ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich die Zeit dafür hatte. Es war ja quasi mein Job, Brot zu backen und Fahrrad zu fahren und auf einen ruhigeren Lebensmodus umzuschalten, indem ich auf viele sogenannte Errungenschaften unserer Kultur verzichtete. Aber dieses Jahr würde auch bald wieder vorbei sein. Ich würde wieder eine andere Aufgabe finden müssen. Was würde dann passieren? Wie würde mein Leben dann aussehen?
An einem eisigen Februartag waren wir im East Village unterwegs, eine halbe Stunde Fußweg von zu Hause entfernt. Es war Isabellas Geburtstag, und wir gingen zu Jane’s Exchange, einem Secondhandladen für Kindersachen, damit Isabella sich etwas als Geschenk aussuchen konnte. Sie durfte nehmen, was sie wollte, ganz gleich, was es war. Sie wählte ein Paar glänzende, goldene Pantoffeln, sonst nichts.
»Bist du sicher, Spatz? Du kannst alles haben.«
»Ich will die Goldschuhe.«
Es gab auch Spielsachen und alle möglichen Kleider. »Aber du kannst alles haben, was hier ist.«
»Ich will die Goldschuhe.«
Sie kosteten zwei Dollar.
Wir verließen den Laden, und draußen war es so elend kalt, dass wir in das nächste Café gingen, um uns aufzuwärmen. Das Dumme war nur, dass man sich nicht einfach an einen Tisch setzen, die Hände aneinander reiben und nichts essen konnte, noch dazu an einem Sonntagvormittag zur Brunchzeit. Ich spürte, wie ich unruhig wurde. Das hier war keine regionale Küche.
»Lass gut sein, Schatz«, sagte Michelle. »Es ist Isabellas Geburtstag.«
Ich gab nach. Wir bestellten Rührei mit Bratkartoffeln und genossen den Ausflug, aber hinterher hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich mailte Alisa, um zu beichten.
Sie schrieb zurück: »O ja, die Verlockungen eines warmen Cafés an einem kalten Wintertag … Nach den Regeln, die wir uns auferlegt hatten, war ab und zu ein Essen im Restaurant erlaubt, und das hat uns vermutlich davor bewahrt, irgendwann durchzudrehen.« Doch sie fügte hinzu: »Nur mit Konsequenz erreicht man Veränderung.«
Wo wir gerade bei Ausnahmen sind – für ein paar Recherchen umging ich auch das Reisemoratorium, stieg in einen Zug und fuhr ungefähr zwei Stunden Richtung Norden, den Hudson River hinauf. Ich hatte zuvor ausgiebig mit Ronny Osofsky darüber diskutiert, ob ich vom Bahnhof mit dem Rad zu seinem Hof kommen könnte, aber irgendwann hatte ich selbst gemerkt, dass ich wie ein Spinner klang, also hatte ich das Rad zu Hause gelassen, und er holte mich mit seinem Pick-up ab.
Wir fuhren durch wunderschönes, sanft geschwungenes Hügelland, und er erzählte mir, dass seine Eltern den Hof 1941 aufgebaut hatten. Es war ein bitterkalter Februartag,und als wir beim Hof ankamen, sah ich den Getreidesilo und den Stall, aber keine Kühe. »Wir müssen sie heute drinnen lassen«, sagte er, »sonst friert uns die Scheune zu.«
Offenbar brauchte es die Körperwärme der rund
Weitere Kostenlose Bücher