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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Beavan
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Wirklichkeit andere Leute beobachtet, die so tun, als läsen sie die Zeitung.
    Zum Glück hatten wir beschlossen, in unserem selbst auferlegten Regelwerk eine sogenannte »gesellschaftliche Ausnahme« zuzulassen; wenn wir also eingeladen oder mit Freunden unterwegs waren, sagten wir nicht »nein danke, wir sind Umweltschützer«, sondern machten mit und amüsierten uns. Genauso konnte ich auch einen Kaffee trinken und ins Restaurant gehen, solange ich es zusammen mit einem Freund tat.
    Das Geniale an dieser Regel war, dass sie mich daran hinderte, allein zu essen oder Kaffee zu trinken. Ich war gezwungen, mehr unter Leute zu gehen. Restaurants und Cafés waren keine Notlösung mehr, weil wir zu beschäftigt und zu gestresst waren, uns selbst ums Essen zu kümmern. Es ging darum, Essen und Kaffee und Rohstoffe nicht zu unserer Bequemlichkeit zu nutzen, sondern um mit Menschen in Kontakt zu kommen.
    Manchmal fragte ich mich, ob unser Mangel an Verbundenheit mit anderen Menschen nicht der Ursprung unserer Umweltprobleme war. Ich fragte mich, ob dieser Mangel –zumindest in meinem Fall – dazu geführt hatte, dass ich mich für nichts und niemanden außer mir selbst verantwortlich fühlte. Wenn ich nicht Teil einer Gemeinschaft war, wo blieb dann das tiefe Gefühl des Verbundenseins mit etwas Größerem, zu dem ich meinen Teil beizutragen hatte? Vielleicht hatte ich vor dem Beginn des Projekts deshalb das Gefühl, keinen Einfluss zu haben, weil ich mit nichts verbunden war, worauf ich Einfluss nehmen konnte.
    Was Michelle und den Kaffeeverzicht betraf, so hatte sie mit echter körperlicher Abhängigkeit zu kämpfen. In der Zeit, bevor die Ernährungsregeln in Kraft traten, trank sie nicht weniger, sondern sogar noch mehr Kaffee als vorher. Wie eine Süchtige, die weiß, dass ihr eine Durststrecke bevorsteht. Jemand schenkte ihr einen Starbucks-Gutschein über 25 Dollar, und sie verbrauchte ihn an einem einzigen Tag. Fünfmal an einem einzigen Tag ging meine arme Frau zu Starbucks und bestellte sich einen vierfachen Espresso auf Eis – natürlich in ihren mitgebrachten Becher.
     
    So langsam kriegte ich den Dreh raus. Blew Farm verkaufte getrocknete Chilischoten, mit denen ich den Kohl etwas aufpeppen konnte. Ich bereitete einen sehr leckeren Apple Crumble zu, bei dem ich den Zucker gegen Honig von einem Imker aus der Gegend austauschte. Und ich schaffte es sogar, einen leichten, würzigen Essig anzusetzen, weil ich keinen finden konnte, der unseren Vorgaben entsprach.
    Wie das geht? Bitte sehr: Man nimmt Obstreste – Apfelgehäuse, Beerenreste oder was gerade da ist – und hackt sie in grobe Stücke. Dann löst man 50 Gramm Honig (laut Rezept eigentlich Zucker, aber den musste ich wegen der Regeln austauschen) in einem Liter Wasser auf, gibt die Obstreste hinein und deckt die Mischung mit einem Tuch ab. Das Ganze lässt man zwei bis drei Wochen stehen und rührt es gelegentlich um.
    Schmeckt übrigens prima zu Kohlgerichten.
     
    Was bekommt man, wenn man Müllvermeidung mit regionaler Ernährung verbindet? Nicht allzu viele kulinarische Hochgenüsse, so viel kann ich Ihnen verraten, zumindest am Anfang. Jede neue Entdeckung war ein Anlass zu Freudentänzen.
    Auf dem Weg zu einer Party traf ich eine Freundin, die mir erzählte, dass ihre Mutter, die ursprünglich aus Griechenland stammte, fast jeden Tag Joghurt machte. Als ich das hörte, hätte ich die Frau küssen können. Warum? Weil ich bis dahin nirgends Joghurt (oder irgendwelche anderen kleinen Zwischenmahlzeiten) gefunden hatte, die ohne Verpackung zu bekommen waren.
    Also mailte mir diese Freundin das Rezept ihrer Mutter, und am Abend probierte ich es sofort aus. Ich war begeistert. Ich dachte, man bräuchte dafür ein spezielles Gerät, aber es geht auch wunderbar ohne. Man kocht einfach einen Liter Milch auf, lässt sie abkühlen, bis sie nur noch lauwarm ist, rührt einen Teelöffel Joghurtansatz hinein, deckt das Ganze mit einem Tuch ab, wartet bis zum nächsten Morgen, und schon hat man Joghurt. Probieren Sie ihn mit einem Löffel Honig – köstlich!
    »Aber wie findet ihr die Zeit einzukaufen, zu kochen, Joghurt und Brot und Sauerkraut zu machen und euch mit der ganzen Familie an den Tisch zu setzen?«, wurde ich oft gefragt.
    Nun, zum Beispiel indem wir nicht mehr fernsahen. Da der durchschnittliche Amerikaner viereinhalb Stunden am Tag vor dem Fernseher sitzt, hatten Michelle und ich jeden Tag neun Stunden Zeit, uns etwas Gutes zu tun, indem wir

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