Alles über Elfen (German Edition)
vergiftet wurde. Die meisten handeln davon, dass sich die Menschen zu einem verabredeten Zeitpunkt Hilfe von den Elfen erhoffen, nur um sich dann von ihnen im Stich gelassen zu fühlen, wenn das Schöne Volk nicht wie versprochen auftaucht – oder erst lange, nachdem eine Schlacht geschlagen und eventuell sogar verloren gegangen ist. [Christiansen: So, so. Missverständnisse heißt das beim Herrn Kollegen. Dort, wo ich herkomme, nennt man so etwas schändlichen Verrat]
Exklusives und inklusives Wir
Zum Abschluss dieser kleinen Liste noch ein besonderes Bonbon, das wahrscheinlich maßgeblich seinen Anteil hatte, dass Elfen mit dem Vorwurf der Arroganz zu kämpfen haben. In der Linguistik wird zwischen einem exklusiven und einem inklusiven Wir unterschieden. Ein inklusives Wir schließt den Empfänger der Botschaft mit ein: Würde ich Ihnen in Begleitung eines Freundes irgendwo auf der Straße begegnen und nach einem kurzen Plausch den Vorschlag machen »Setzen wir uns doch dort in dieses Café!«, würden Sie – völlig zu Recht – davon ausgehen, dass sich diese Aufforderung an alle drei anwesenden Personen richtet. [Plischke: Und wenn man es einmal wirklich deutlich machen muss, sagt man: »Setzen wir drei uns doch dort in dieses Café!] Ein exklusives Wir, wie es in vielen elfischen Varianten verbreitet ist, schließt hingegen den Empfänger einer sprachlichen Botschaft nicht zwingend ein, sondern bezieht sich auf eine Eigengruppe, als deren Teil besagter Empfänger eben gerade nicht wahrgenommen wird. Wenn ein Elf in Begleitung eines anderen Mitglieds des Schönen Volkes also so etwas zu Ihnen sagt wie »Ziehen wir uns doch an einen ungestörteren Ort zurück!«, meint er unter Umständen gar nicht Sie mit diesem Wir. Was er eigentlich sagt, wäre ungefähr: »Mein Freund hier und ich, wir ziehen uns jetzt an einen ungestörteren Ort zurück, aber du bleibst bitte schön hier!« Man braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wie leicht es unter diesen Voraussetzungen zu wahren diplomatischen Katastrophen kommen kann. Ich nehme schließlich an, Ihnen wäre doch auch beides unangenehm: wenn Sie glauben, zu etwas ein geladen zu sein, nur um dann feststellen zu müssen, dass man sie soeben aus geladen hat; respektive wenn Sie der Auffassung sind, Sie hätten jemand anderem gerade unmissverständlich mitgeteilt, dass seine Anwesenheit derzeit nicht erwünscht ist, und diese Person Ihnen dann frech hinterherdackelt, anstatt sich zu verdünnisieren.
Anhand dieser Details sollte ich Ihnen nun anschaulich illustriert haben, welche großen und kleinen Hürden es beim Erlernen »des Elfischen« zu überwinden gilt. [Plischke: Tolkien lässt eine seiner Figuren zwar behaupten, Elfenworte blieben zwar quasi von Natur aus auch bei denen im Gedächtnis haften, die sie nicht als Muttersprache gelernt haben. Das halte ich jedoch für einen frommen Wunsch beziehungsweise die Einschätzung eines Mannes, die sich zu Lebzeiten so intensiv mit Elfensprachen befasst hat wie kein Zweiter] Und Sie sollten einen Eindruck davon gewonnen haben, dass diese Sprachen den Linguisten so manches Rätsel aufgeben. Auf eines von ihnen möchte ich noch einmal näher eingehen. Einer der Grundsätze über die Entwicklung einer Sprache im Zuge ihrer Geschichte lautet ungefähr folgendermaßen: Jede lebende Sprache zeigt eine Tendenz zur Vereinfachung ihrer Grammatik. Bei vielen Varianten des Elfischen ist davon nur wenig zu spüren, obwohl sie wahrlich ausreichend Zeit hatten, ein solches Verhalten an den Tag zu legen. Bedeutet das nun im Umkehrschluss, dass es sich beim Elfischen um eine tote Sprache handelt? Mitnichten, denn ihre Sprecher sind bekanntermaßen äußerst lebendig. Und genau dort dürfte auch der Grund für die nach wie vor ungewöhnlich komplexe Grammatik der Elfensprachen zu finden sein: Wiederum ist es die unvorstellbare Langlebigkeit der Elfen, die dieses Phänomen befördert. Unter uns Menschen sterben veraltete Formulierungen, Worte und eben auch grammatikalische Fälle oder Verbformen schlicht mit ihren Sprechern. Das passiert den Elfen eben nicht so schnell. [Christiansen: Hier nimmt der Herr Kollege die Spitzohren mal wieder in Schutz. Was er uns nämlich verschweigt, ist einer der weiteren Faktoren, der unter uns Menschen zu einer Vereinfachung der Grammatik führt: Zuwanderungsbewegungen in einen bestimmten Sprachraum hinein. Und wenn man sich willentlich so abschottet wie die feinen Herren und Damen Elfen, dann
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