Alles über Elfen (German Edition)
ein dunkler Spiegel ist).
Sie seufzen zu unberechenbaren Zeitpunkten tief auf (und unterdrücken gelegentlich mit bebenden Lippen ein Schluchzen).
Sie summen Melodien in Moll vor sich hin, die selbst einen Stein dazu bringen könnten, eine Träne zu vergießen (oder verzweifelt das Weite zu suchen).
Falls sie doch einmal sprechen, dann kreisen ihre Gesprächsangebote um »die Ausweglosigkeit des Schicksals«, »die schweren Tage der Düsternis« oder »das Verlangen, auch im Schrecklichen noch das Schöne zu sehen«.
Man könnte also meinen, dieser Vorwurf sei – allen Widersprüchen zu anderen Schmähungen zum Trotz – nicht ganz aus der Luft gegriffen. Ich sehe die Möglichkeit, dass diese augenscheinlichen Brüche letztlich jedoch auf den gleichen Grund zurückzuführen sein könnten: Ist er erst einmal alt genug, hat ein Vertreter des Schönen Volkes oft eine sehr konkrete Vorstellung von seinem eigenen Los in der Welt entwickelt. Und so, wie in unserer Gesellschaft auch nicht jeder Astronaut oder Prinzessin werden kann, erwartet auch nicht jeden einzelnen Elfen ein Schicksal von herausragender Bedeutung. Mehr noch: Einige müssen fest davon ausgehen, unter äußerst unangenehmen Umständen aus dem Leben zu scheiden. Für uns Menschen ist Letzteres zwar bedauerlicherweise nicht anders, und einige von uns ahnen sehr früh, dass das Schicksal es nicht sehr gut mit ihnen meint. Für die Elfen sind diese Ahnungen allerdings sehr oft regelrechte Gewissheiten, und damit umzugehen, ist – Verzeihung – gewiss nicht leicht.
Die den Elfen unterstellte Weinerlichkeit erstreckt sich indes auch auf andere Bereiche. Glaubt man den Elfenhassern, neigt das Schöne Volk dazu, sich pausenlos über dies und das zu beschweren: »Weiche hier nicht vom Weg ab – das tut dem Wald doch weh!«, »Eure kehlige Sprache klingt so rau in meinen Ohren!« oder »Es ist nett, dass du mir deine Axt leihen willst, aber an diesem Griff fange ich mir bestimmt nur Splitter ein«.
Ich kann mir gut vorstellen, dass derlei Beschwerden einen sehr leicht auf die Palme bringen können, wenn man fortwährend mit ihnen bombardiert wird. Andererseits kann ich mir mindestens ebenso gut vorstellen, wie viel Grund man zum Nörgeln an der Gesamtsituation findet, wenn man mit den scharfen Sinnen und den hohen ästhetischen Ansprüchen eines Elfen ausgestattet ist.
Lassen Sie uns doch vielleicht einfach insgesamt folgenden Kompromiss schließen:
Elfen sind empfindsam.
Elfen sind egoistisch.
Diesen Vorwurf möchte ich zunächst etwas präzisieren: Meist wird sich in diesem Zusammenhang darüber echauffiert, dass das Schöne Volk letzten Endes nur an solchen Vorgängen in der Welt Interesse zeigt, die es direkt betreffen. Alle anderen Ereignisse – Sie verzeihen mir hoffentlich die Ausdrucksweise – gehen ihnen am wohlgeformten Hintern vorbei. Ein Beispiel: Ein verrückter Nekromant schart weit im Osten ein gewaltiges Heer albtraumhafter Kreaturen um sich und beginnt dort eine freie Menschenstadt nach der anderen zu unterwerfen. Greifen die Elfen automatisch ein, wenn ein Abgesandter einer der verbliebenen Städte sie um Hilfe bittet? Eher nicht. Sie werden sich erst rühren, sobald besagter Nekromant schwört, sämtliche Wälder der Erde abzuholzen. Und wie nennt man so etwas? Egoistisch. Wenn man höflich bleibt. [Christiansen: Zu Recht!]
So in etwa sieht also das Grundmodell dieser Schmähung aus dem Blickwinkel der Elfenhasser aus. Es ist ein spannendes Gedankenexperiment, sich die Frage zu stellen, wie die Kritiker der Elfen urteilen würden, wenn die Elfen sich genau umgekehrt verhielten. Also: Was, wenn die Elfen sich in jeden laufenden Konflikt außerhalb ihres eigenen Einflussbereichs sofort einmischen würden – vorzugsweise mit Waffengewalt oder magischen Massenvernichtungswaffen? Ich gehe jede Wette ein, dass es dann hieße, das Schöne Volk betreibe eine aggressive Expansionspolitik, um nach und nach eine Weltordnung nach ihren Vorstellungen durchzusetzen. Oder anders gesagt: Auch dann müssten sie sich höchstwahrscheinlich anhören, sie seien im Grunde egoistische, selbstsüchtige Wesen.
Ich würde in dieser ganzen Debatte lieber einen anderen Punkt betonen: Sobald die Elfen sich nämlich erst einmal zum Handeln entschlossen haben, tun sie traditionell alles, was in ihrer Macht steht, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Sobald sie davon überzeugt sind, dass der Nekromant eine Bedrohung für
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