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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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beste Freundin. Ich habe immer Freunde gebraucht und brauche sie jetzt mehr denn je. Es ist schön zu wissen, dass ich einige Menschen habe, die hinter mir stehen. Ich gestehe, dass ich für einige Zeit auch dich im Verdacht hatte, Eriks Geliebte zu sein, ich habe es aber nie recht glauben können, obwohl ich es Erik zugetraut hätte. Nur dir nicht.
     
    Ja, Erik, dieser Scheißkerl! Er trägt keinen Ehering mehr, und auf seinem Display am Handy ist eine Insel mit einer Palme. Die zweite Pubertät!
     
    Sei bloß froh, dass du mit Alfred verheiratet bist. Alfred ist ein wahrer Prinz, eine Seele von einem Menschen. Sally, du weißt gar nicht, was du an ihm hast.
    Und später, als sich Alfred zu ihnen in die Küche gesellt hatte, zu Sallys Erleichterung: Das ist ziemlich interessant, was du sagst, Alfred. An diese Möglichkeit habe ich noch gar nicht gedacht!
     
    »Ich gratuliere«, spottete Sally. »Für solche Geschichten gibt es die vielen Häuser hinter diversen Vorortelinien.«
    Alfred hatte zugehört, sein Gesicht war binnen wenigerMinuten komplett verfahlt, und nach einiger Zeit hatte er überraschend gesagt:
    »Und wenn man mich totschlägt, ich glaube es nicht. Ich bin überzeugt, er hat die Russin erfunden.«
    Nach den ersten spontanen Kommentaren hakte Sally nach, sie hatte Alfred eigentlich nur auslachen wollen, sich dann aber besonnen, weil sie froh war, dass ein neuer Schauplatz eröffnet wurde.
    »Und warum sollte er das tun?« fragte sie.
    »Weil er ein Feigling ist«, gab Alfred dickköpfig zur Antwort.
    »Und das Telefonat, das Nadja belauscht hat.«
    »Keine Ahnung. Telefonsex vielleicht. Er ist und bleibt ein Feigling.«
    Zu Sallys völliger Überraschung stimmte Nadja dieser Auslegung zu, das seien genau die Tricks, die man der weniger verlässlichen Hälfte ihrer Ehe zutrauen müsse. Doch nachdem sich Nadja auch Sallys Argumente angehört hatte (dass die Geschichte zu elaboriert war, um von Erik erfunden zu sein), wechselte sie zurück ins Lager der Realisten, ja, höchstwahrscheinlich, es sehe so aus, als gebe es das sibirische Milchgesicht. Leider, dachte Sally. Aber der Hauptgrund, weshalb Sally nicht an eine Erfindung glauben wollte, war der, dass sie sich nicht vorstellen konnte, was es notwendig machte, eine solche Geschichte auszuspinnen.
    »Himmelherrgott, weil er ein Feigling ist«, sagte Alfred nochmals.
    »Das ist nur allzu wahr«, bestätigte Nadja.
    Alfred versuchte in die Details zu gehen, aber noch während er redete, merkte er, dass er mit seiner Erklärungnicht nur Erik beleidigen musste, sondern auch Nadja, von der er glaubte, dass man sie nur mit faustdicken Lügen loswurde. Gleichzeitig erinnerte er sich daran, dass Nadja nach dem Einbruch die Unermüdlichste unter allen Freunden gewesen war, deshalb hielt er inne. Ohne seine Argumentationsreihe zu Ende zu führen, wiederholte er lediglich die Kernaussage, dass die Russin erfunden sei, er habe ein sicheres Gefühl.
    »Aber gut, vielleicht bin ich keine allzu große Hilfe«, setzte er bescheiden hinzu.
    »Damit könntest du recht haben.«
    Doch im selben Moment, in dem Sally das sagte, überkam sie der Gedanke, dass es sehr wohl Gründe gab, die Alfreds Theorie plausibel machten. Mit einer erfundenen Frau konnte Erik eine dritte Frau schützen (aber dann hätte er Sally eingeweiht) oder er konnte eine dritte Frau mitsamt der Ehefrau loswerden, ohne sich weiter rechtfertigen zu müssen, das wäre ein besonders schlau eingefädeltes Manöver. Eine blonde Russin? Lena? Wie der Fluss? Ja? Ja, leider. Vermutlich gab es sie, bedauerlich genug. Aber wenn es sie nicht gab, war sie trotzdem etwas Konkretes, weil ja auch das Falsche auf verdrechselte Art Fakten schafft. Entweder es gab die Frau oder es gab die konkrete Absicht, sich mit Hilfe einer Erfindung von gewissen Zwängen zu befreien. Beides war nicht besonders erfreulich.
    »Vielleicht hat Alfred recht, was weiß ich«, murmelte Sally deprimiert. Sie war immer froh gewesen über den Unterschied zwischen Nadja und sich, und es erfüllte sie mit Groll, dass dieser Unterschied an Bedeutung verlor. Vermutlich aßen Nadja und sie von ein und demselben Brot.
    Sie schenkte Schnaps nach. Nadja und Alfred hielten ihre Gläser unter die Flaschenöffnung. Sie stießen an. Alfred schien sich für das Leben seiner Mitmenschen wieder zu erwärmen.
    »Es wird schon alles ins Lot kommen«, verkündete er.
    »Auf uns Frauen«, sagte Sally lasch.
    »Ich bin euch so dankbar, dass ihr euch mit mir

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