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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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einem heftigen Prickeln auf der Wange weggegangen.
    Jetzt dachte sie wieder an das Mädchen, das von ihremVater eingesperrt worden war. Sally spürte, es gab zwischen all diesen Dingen eine unterirdische Verwandtschaft.
     
    Der entscheidende Satz dieses Tages jedoch lautete: Ich kann der Heldenfigur nicht gerecht werden, zu der ich mich selber gerne machen möchte.
    Denn zu Hause fragte sie sich wieder, was wäre, wenn Alfred aus Schenkenfelden stürbe. Andererseits hatte sie Sex mit ihm, sowie er heimgekommen war, trotz des Stützstrumpfes, den er trug, ziemlich guten Sex, wie meistens in letzter Zeit. Hinterher stand sie sofort wieder auf, sie wollte vermeiden, dass er ihr Vorträge hielt, die besser auf den Friedhof oder in ein Buch von W. G. Sebald passten.
    Zu allem Überfluss kreuzte wenig später Nadja auf. Sally saß in der Küche und aß eine Kleinigkeit. Nadja entschuldigte sich, dass sie so hereinplatze, sie habe schon am Vorabend kommen wollen, sie sei mit dem Wagen vor dem Haus gestanden, habe es aber nicht gewagt zu klingeln, wegen ihrer verweinten Augen. Wieder zu Hause, habe Sally angerufen. Danke, gut, habe Nadja auf Sallys Frage geantwortet. Wäre nicht Fanni mit am Tisch gesessen, hätte sie augenblicklich wieder losgeheult. Das habe sie fünf Minuten später in ihrem Zimmer getan.
    »Erik will die Scheidung!«
    »Was?« fragte Sally erschrocken.
    »Du hast schon richtig gehört. Tut mir leid, dass ich dich so damit überfalle.«
    Um die Knie herum bekam Sally ein weiches Gefühl. Sie fragte sich, was die Nachricht zu bedeuten hatte. Von Erikwar nie auch nur eine Andeutung gekommen, dass er beabsichtigte, sich von Nadja zu trennen.
    Und sollte sie sich freuen? Dieser Gedanke blitzte ihr durch den Kopf, sie fühlte sich unbehaglich in ihrer heuchlerischen Haut.
    »Woher so plötzlich?« fragte sie verdattert.
    »Weil er eine andere Frau hat«, seufzte Nadja.
    »Eine andere Frau?!«
    »Ja!«
    »Du machst Scherze!«
    »Ich wünschte, es wäre so. Er hat es selber gesagt.«
    »O mein Gott!« stieß Sally hervor. Sie ging vor Schreck aufs Klo. Nachdem sie dort eine Weile gewartet und anschließend die Spülung betätigt hatte, kehrte sie in die Küche zurück und bot Nadja einen Schnaps an, damit sie selber einen trinken konnte. Anschließend fragte sie so lange nach, bis sie eine mehr oder minder vollständige Darstellung hatte.
     
    Angeblich kannte Erik die Frau seit September, siebenunddreißig Jahre alt, Russin, ein Kind. Er wolle ausziehen, aber nicht zu ihr, weil ihre Wohnung zu klein sei und sie zunächst noch getrennt leben wollten, damit das Kind nicht überfordert werde. Zack, das war’s! Ursache: Kein Pepp in der Ehe. Zu wenig Emotionen. Noch was erleben. Die Chance fünfzig zu fünfzig. Und so weiter.
     
    Draufgekommen sei ihm Nadja, weil laute Musik sie um eins in der Nacht geweckt habe. Erik sei im Wohnzimmer gesessen und habe am Handy telefoniert. Er habe gar nichtgemerkt, dass Nadja eine Zeitlang in der Tür stand. Sie habe Liebesgeflüster gehört und die Worte:
    Ich kann ohne dich nicht leben.
    Erik sei betrunken ins Bett gekommen, Nadja habe ihn wach gerüttelt und zur Rede gestellt. Er habe gesagt, er habe eine Freundin und sei total glücklich, dass ihm in seinem Alter noch so etwas passiere. Nadja habe geheult, sei fertig gewesen und habe bis in der Früh kein Auge zugemacht. Sie fand, Erik hätte es ihr besser schonender beigebracht als durch das Telefonat mit der Braut. Wie taktvoll.
     
    Laut Nadja habe es einen Exzess nach dem anderen gegeben. Sie sagte, eigentlich hätte man sich gegenseitig umbringen sollen, aber der letzte Mut und die Technik hätten gefehlt.
     
    Vorerst sei Erik in die neue Wohnung in der Wilhelminenstraße ausgewichen, wo Sophie, die ältere Tochter, erst vor drei Monaten eingezogen war. Er komme regelmäßig nach Hause und nehme Dinge mit, unter anderem den kleinen Safe aus dem Schlafzimmer mitsamt den Wertpapieren und den Sparbüchern. Fanni habe ihm die Türen aufhalten müssen. Auch vier Kartons mit Wein habe er abtransportiert. Nadja habe sofort den Rechtsanwalt angerufen und für nächste Woche einen Termin vereinbart. Jetzt werde es ernst. Sie habe auch seine Mutter angerufen, aber man habe deutlich hören können, dass der erste Schock überwunden sei und die Mutter schon wieder voll hinter dem feinen Herrn Sohn stehe. Aber Nadja wisse jetzt den exakten Zeitpunkt seiner Geburt, zwei Uhr nachmittags, dieDaten gebe sie an eine Bekannte im

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