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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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besauft.«
    Nachdem Nadja sich gründlich ausgeschneuzt hatte, ging es ihr wieder besser, die verzweifelte Verbissenheit, die das Gespräch lange genug dominiert hatte, war erlösender Erschöpfung gewichen. Sally sah Nadja an, bläuliche Schatten lagen unter ihren Augen, die Augen waren vom Trinken glasig, das sonst immer asketisch wirkende Gesicht hatte etwas Verquollenes vom vielen Weinen. Das Unglück macht jeden Menschen schmuddelig. Morgen bist du dran, sagte Sally zu sich.
    Jetzt hörte man leise eine S-Bahn die Vorortelinie entlang Richtung Hütteldorf fahren. Sally sah sich reumütig um in dem kühlen, metallenen Raum. Es gab hier nur das eine Fenster, durch das die Einbrecher eingedrungen waren, keine Pflanzen, keine Bilder, bloß einige Postkarten am Kühlschrank, darunter das Brustbild eines italienischen Fußballers, von dem Emma als Zwölfjährige behauptet hatte, dass es Alfred ähnlich sehe, halt dreißig Jahre jünger. Genau das, was Sally jetzt brauchte.
    »Ich versteh das alles nicht«, entfuhr es ihr, nachdem sie den dritten Schnaps runtergekippt hatte. Sie spürte ein warmes Pochen im Magen. »Ehrlich, so habe ich Erik niegesehen. Charmant und ein bisschen trivial, ja. Aber immer durchsichtig in seinen Argumenten, klar, wenig kompliziert.«
    »Weil du von Männern noch weniger verstehst als ich«, erwiderte Nadja, ein wenig verärgert, weil Sally vergessen hatte, in ihre Charakteristik von Erik ein Schimpfwort einzubinden. »Du glaubst immer, Männer sind einfach, aber du solltest dich auf diese Behauptung besser nicht versteifen, so einfach sind sie nämlich gar nicht, das musst du mir glauben.«
    Alfred nickte, ein langsames Kopfnicken, bestätigend, geschmeichelt, er goss nochmals Schnaps nach. Sally erinnerte sich an eine Fortbildung zum Thema Geschlechtsspezifische Pädagogik . Am Ende hatten sich alle Teilnehmer im Kreis aufstellen und sagen müssen, was ihnen zu bestimmten Stichwörtern einfällt. »Buben?«
    Sallys Antwort:
    »Ich mag Buben. Aber ich verstehe sie nicht.«
    Schon als sie gesagt hatte, sie möge Buben, hatten einige Teilnehmer gelacht. Doch als der Nachsatz gekommen war, sie verstehe sie nicht, hatten sich alle zerkugelt.
    Und jetzt? Was weiter? Nichts weiter. Nur dass Nadjas Vorwurf gegen Sally womöglich gerechtfertigt war, vielleicht lag ihre Einschätzung von Männern tatsächlich unterhalb der wahren Kompliziertheit des Phänomens. Sally hatte Männer immer für eher simpel gehalten, wenn auch deswegen noch lange nicht für durchschaubar. Wie gesagt, Gottes erster Versuch.
    »Kann sein, ich verstehe tatsächlich zu wenig davon«,sagte sie zerknirscht. »Über dich und Erik weiß ich ja auch bei weitem nicht so viel, wie ich vermutet habe.«
    »Und über mich auch«, sagte Alfred zufrieden. Seine Worte hatten einen Nachklang, als lasse er sich von dem, was er grad gesagt hatte, tragen, als befinde er sich auf dem Heimweg, und zwei Engel fassten ihn unter den Armen.
     
    Die Tage vergingen, Erik ließ nichts von sich hören. Sally kaute auf ihrer Ungewissheit herum, war am Ende aber genauso schlau wie vorher. Innerlich befand sie sich noch immer im Fallout des Gesprächs mit Nadja, und das vergebliche Warten auf einen Anruf von Erik versetzte sie täglich in tiefere Wut. Dieser elende Hund! Er hat eine Neue! Ich war ein simples Intermezzo! Er hat mich komplett verarscht! Und ich hab’s nicht kapiert! Ich könnte mich in den Hintern beißen, dass ich so naiv war! Auf so jemanden reinfallen! Ich bin ein riesiger Trottel!
    Drei Tage lang passierte nichts, nur nutzlose Ausbeutung von Gehirnkapazität. Sally selber machte keine Anstalten, die Dinge zu beschleunigen, sie fand, jetzt war Erik an der Reihe.
    Samstagabend rief er an, Sally saß gerade mit ihren Männern beim Essen, sie rannte zum Reden nach oben. Alfred runzelte befremdet die Stirn, Sally kümmerte sich nicht darum.
    Das Gespräch begann in einer Atmosphäre beiderseitiger Verlegenheit. Erik fragte, wie es ihr gehe, sie antwortete, das könne er sich denken. Weshalb er nicht angerufen habe, sie habe schon befürchtet, dass er sich wünsche, sie sei vom Planeten gefallen.
    »Weißt du was? Du bist ein Dreckskerl«, sagte sie.
    Sie gab ihm probehalber eins drauf. Da verblüffte er sie mit einer Entschuldigung, er sei nicht in Wien, werde am Montag zurück sein und habe geplant, sie am Dienstag zu sehen in der Hoffnung, bis dahin einige Dinge zwischen Nadja und sich in Ordnung gebracht oder wenigstens beruhigt zu

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