Alles Umsonst
zu Spannungen kommen konnte: Die Behörde hatte sich für den Namen des Freiheitshelden Schlageter entschieden, der im Unglücksjahr 1919 mal ein paar Ferientage in dieser Gegend verbracht hatte. Albert Leo Schlageter, dieser Widerstandskämpfer, der den Franzosen die Stirn geboten hatte und von ihnen erschossen worden war. In der Mitte der Siedlung stand ein Granitstein mit dem eingemeißelten Profil des nationalen Märtyrers. Aus dem Stein floß Wasser heraus in ein Becken, wenn man es anstellte. An Sommerabenden versammelte sich Jugend an dem Brunnen, und dann wurden unter dem Fahnenmast Liederder neuen Zeit gesungen. An heißen Tagen plantschten wohl auch Kinder in dem Wasser herum. Ein Mann namens Drygalski, Parteigenosse der ersten Stunde, jagte sie dann fort. Jetzt im kalten Winter war der Brunnen natürlich mit Brettern abgedeckt.
Drygalski stellte in der Siedlung so etwas wie den Vize-Bürgermeister dar – jedenfalls gebärdete er sich so, eine Respektsperson, die für Ordnung sorgte und am Albert-Leo-Schlageter-Tag eine Rede hielt, die er von einem Zettel ablas. Dieser Mann war es, der die Kinder vom Brunnen wegjagte, weil es nicht statthaft war, darin herumzuplantschen. Und wenn das doch geschah, sah sich Drygalski zum sofortigen Eingreifen veranlaßt. Von seinem Küchenfenster aus hatte er einen guten Überblick. Da pochte er dann mit dem Finger an die Scheibe.
Warum sie denn nicht zur Helge liefen, durch den Wald? da sei doch Wasser genug? fragte er sie, aber da waren es die Frauen, die ihn ausschimpften. Ob es ihm etwa gefällt, wenn die Kinder über die Chaussee laufen, und an der Helge ist kein Mensch, der sie rauszieht, wenn sie absaufen?
Der Bau der Albert-Leo-Schlageter-Siedlung, gegen den sich die von Globigs zur Wehr gesetzt hatten, im Olympiajahr realisiert, erwies sich für sie als ausgesprochen segensreich, es hatte ein letztes großes Stück Land verkauft werden können, und Georgenhof hatte bei der Gelegenheit endlich eine anständige Wasserleitung bekommen.
Aber man hatte den alten Teich zugeschüttet! den kleinen romantischen Teich, auf dem die Enten immer so schön herumschwammen, und die weißen Gänse! Und die träumende Trauerweide natürlich abgehackt ... Der Teich gehörte eigentlich von alters her zum Georgenhof! Den zuzuschütten, daswar nicht einmal eine Frage wert gewesen. Einen hitzigen Briefwechsel hatte es gegeben mit dem Kreisleiter, der Teich müsse weg, weil da Schnaken drin brüteten, hatte der gesagt, für eine saubere neue Siedlung, in der gesunde Menschen wohnen würden, sei so ein Sumpfloch unzumutbar. Eberhard von Globig hatte alte Landkarten vorgezeigt, auf denen immer schon der Teich eingezeichnet war. Im Sommer so praktisch für das Schwemmen der Pferde! Und ständig Enten, kopfunter oder schnatternd, die man im Herbst einfangen und schlachten konnte.
Der Kreisleiter war laut geworden, als Eberhard von dem Teich redete, daß der eigentlich ihm gehört, hatte sich mit Drygalski getroffen und sich angeschickt, irgendwas auszuhecken. Lothar Sarkander, der Bürgermeister von Mitkau, ein Mann von strenger Lebensart, mit dem Eberhard von Globig sich gelegentlich bei der Jagd traf, ein steifes Bein und Schmisse im Gesicht, war eines Abends in seinem DKW herübergekommen und hatte unter vier Augen mit Eberhard gesprochen. Im Billardzimmer hatten sie gesessen, und Sarkander hatte von der neuen Zeit geredet und gesagt, es sei besser, wenn Eberhard den Mund hält. Leute wie Drygalski dürfe man nicht reizen. Diese Leute säßen am längeren Hebel.
Jedes Jahr wurde Sarkander zur Stöberjagd geladen, das schaffte gute Atmosphäre, und Katharina hatte einmal mit ihm im Sommersaal gestanden und in den Park geguckt, auf die lustige Gesellschaft, die dort im Grase lagerte und sich zuprostete. Sie war mit ihm vor längerer Zeit sogar schon mal an die See gefahren. 1936, als Eberhard unbedingt nach Berlin mußte, zur Olympiade, die Pferde dort ansehen, und sie zu Hause gelassen? Im Strandpavillon hatte man die beiden sitzen sehen und Kakao trinken, sie mit einem breitkrempigen Strohhut, der wieeine Sonne ihren Kopf umgab, das schwarze Haar darunter hervorquellend, und er in weißen Hosen, den Stock zwischen den Beinen. Das war schon lange her und niemand wußte so recht etwas davon. Oder doch?
Man muß auch mal was unternehmen, hatte es geheißen. Eberhard war nach Berlin gefahren, und da hatte man eben zusammen einen Ausflug an die See gemacht.
Wenn ich
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