Alles Umsonst
hin und wieder einzelne Bauernwagen sehen, die in Richtung Westen fuhren. Es war dem Tantchen aufgefallen, daß der Verkehr in den letzten Tagen zugenommen hatte. Vielleicht sollte man das Hoftor doch mal reparieren? Manchmal rumpelten Wagen, einer nach dem andern, vorüber, alle hochauf mit Hausrat beladen. Auch einzelne Fußgänger ließen sich sehen, sonderbare Gestalten, die von wer weiß woher kamen und weiß der Himmel wohin wollten.
Gelegentlich huschten die Fremdarbeiter aus dem Waldschlößchen auf den Hof, um sich mit Vera und Sonja in der Küche zu treffen. Obwohl das doch ausdrücklich verboten war! Die dachten wohl, man sieht sie nicht? Daß sie in der Küche etwas zugesteckt bekamen, war zu vermuten. Weshalb sie nicht arbeiteten, wußte kein Mensch zu sagen. «Haben diese Menschen eigentlich nichts zu tun?» wurde gesagt.
Auch aus Mitkau kamen fremdartige Gesellen, die Hände in den Taschen, denen machte der lange Weg nichts aus. Zwielichtig, aber anscheinend ganz normal. Die vereinigten sich dann mit den Männern vom Waldschlößchen und sangen da ihre Lieder. Manchmal waren sie auch ganz still.
Tschechen, Italiener und Rumänen waren das, auch Zivilfranzosen und Holländer. Ausländer eben. Alle lungerten dort herum. Oft stahlen sich die beiden Ukrainerinnen zu ihnen hinüber, obwohl es auf Georgenhof viel zu tun gab.
Vera und Sonja – nie da, wenn man sie braucht: Das Tantchen hatte überlegt, ob man schärfere Saiten aufziehen sollte, aber wie das anstellen? Das glitt alles an denen ab.
«Am besten gar nicht beachten», war gesagt worden, solange es nicht ausartete? Immer schön vorsichtig sein mit den Ausländern, das war die Devise jetzt auf den letzten Drücker. Wer konnte denn wissen, was noch alles kommt? «Diese Leute tragen ein Messer unter der Jacke!» Einer der Tschechen, ein Mann mit «stechendem Blick» – eine lederne Schiebermütze trug er –, kam neuerdings sogar bis auf den Hof. «Der Kerl mit dem stechenden Blick» war sogar schon mal in der Halle gesehen worden, er hatte die Treppe hinaufgeschaut. Wladimir hatte ihn mit der Peitsche verjagt, aber der kam immer wieder, und Wladimir trug eines Tages ein blaues Auge davon.
Obwohl Onkel Josef in Albertsdorf davon abgeraten hatte, sich mit den Leuten einzulassen, wechselte Katharina mit ihnen gelegentlich ein paar Worte. Unter den Italienern waren lustige Burschen mit schönen dunklen Augen, einer konnte sogar Mandoline spielen! Sie froren immerfort! Die Franzosen waren eher nachdenklich. Das waren zum Teil gebildete Leute, die von zu Hause unterstützt wurden, Schullehrer und Pfarrer, die hin und wieder auch mal ein Buch lasen. Zum Teil aber auch arme Schlucker mit traurigem Blick.
«Das wird dann alles nach dem Krieg bereinigt», hatte Onkel Josef gesagt. «Da schicken wir sie dann nach Haus.»
Wenn sich eine Gelegenheit dazu bot, stellte Katharina sich zu den Italienern, gab ihnen Zigaretten und redete freundlich mit ihnen und in ihrer Sprache. Daß sie vor dem Krieg mit dem Wanderer-Wagen in den Süden gereist war, das erzählte sie nicht, sie beließ es bei Andeutungen.
Die Italiener, diese armen Schweine, waren es, die überall am schlechtesten behandelt wurden – «die haben uns zweimal verraten!». Katharina fand es nicht in Ordnung, daß man sie soschlecht behandelte, weil sie schöne Stunden im Süden verlebt hatte, immer wieder, lange vor dem Krieg, die warmen Nächte am Meer und der Gesang der Fischer, deshalb fand sie das nicht in Ordnung.
«Venezia, comprende?» sagte sie zu den Italienern. Und sie dachte an ihren Mann, der jetzt im heißen Süden in weißer Uniform gegen Verrechnungsscheine Olivenöl besorgte und Wein für die Truppe. Ohne Härten ging das wohl auch nicht immer ab? Er werde demnächst befördert, hatte er geschrieben, und dann gebe es eine Gehaltserhöhung. Gott sei Dank.
Der Siedlung auf der andern Seite der Chaussee hatte man den Namen Albert-Leo-Schlageter-Siedlung gegeben, sie war 1936 gebaut worden, ein Haus wie das andere, wie Spielzeug aus einer Spanschachtel genommen und nebeneinander aufgestellt. Hier wohnten kleine Leute, mit Ziege im Stall, Schwein, Hühnern und Kaninchen, und jedes Haus hatte einen Garten. Ursprünglich hatte die Siedlung «Neu-Georgenhof» heißen sollen, man hatte Herrn von Globig gar nicht erst gefragt, ob ihm das auch recht ist, daß man die neue Siedlung des deutschen Volkes so nennt?
Die Sache hatte sich von selbst erledigt, noch ehe es
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