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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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und Lettland, konnte man nicht fragen, ob sie Vertrauen zur deutschen Wehrmacht hätten. Da hätte man die richtige Antwort bekommen oder gar keine.
    Drygalski fragte seine Frau, ob sie noch was braucht, setzte die Mütze auf und stiefelte hinüber. Auf dem Georgenhof hing ein Schwein an der Leiter, der Pole weidete es aus, und die Mädchen gingen ihm zur Hand. Ihr Geschnatter unterbrachen sie sofort, als sie den Mann aus der Siedlung kommen sahen. Braune Schaftstiefel und ein Hitlerbärtchen?
    «Na, Schweine schlachten?» fragte Drygalski, und er hätte beinahe, aus einer Laune heraus, der blonden Sonja in die Wange gekniffen: gesundes Volksgut, wie es schien.
    Das Tantchen, das in der Küche Schmalz ausließ, fragte er, Heil Hitler, ob sie auch alles akkurat wiegt und abliefert?
    «Jaja», sagte sie und wies eine Strichliste vor, «es wird alles abgeliefert.»
    Eine Untertasse mit Wellfleisch hielt man ihm hin, ob er mal kosten will? Ja, er wollte das. Und er bat um etwas Salz und stellte sich zu dem Polen und guckte eine Weile zu, wie der die Fleischstücke in unterschiedliche Wannen warf, ob der das auch richtig macht. Und er dachte an seinen Kolonialwarenladen, wie er immer den Schinken so schön geschnitten hatte an der Schinkenschneidemaschine, und Kinder kriegten einen Zipfel Wurst? ...
    Auch Jago sah dem Polen zu, der war auf seine Weise an der Sache interessiert. Der Kater suchte, wie er es immer tat, das Weite. Er wußte, daß man ihn nicht vergessen würde.
     
    Drygalski begutachtete den großen Ackerwagen, der breit und schwer auf dem Hof stand, und tatsächlich! An den Seiten war er bereits versteift, und mit einer Art Dach hatte man ihn versehen! Hier wurde also auch schon gepackt? Aber da er den Teller mit dem Wellfleisch in der Hand hielt, verkniff er sich eingehendere Erkundigungen.
    Seit Fellow hatte abgeliefert werden müssen, hatten die Globigsnur noch drei Pferde, zwei für den großen Wagen und den Wallach für die Kutsche?
     
    Das Tantchen nahm die Gelegenheit wahr und erzählte ihm, daß ein sehr sonderbarer Kunstmaler dagewesen sei, der sehr sonderbare Reden geführt habe?
    Kunstmaler? Wieso? Altertümer registrieren? bauliche Besonderheiten abzeichnen?
    Aber warum hatte man den Mann denn nicht in die Siedlung hinübergeschickt, den Schlageter-Brunnen abzumalen? Das verstand Drygalski ja nun überhaupt nicht. Und er ging einmal ums Haus herum und dann wieder hinüber in die Siedlung und da den Brunnen angucken, der ein rechtes Schmuckstück war. Die Bronzeplakette schon ein wenig angegrünt ... Gott sei Dank gab es ja Fotografien von dem Denkmal, in der Zeitungsbeilage «Mitkauer Land» war es von allen Seiten abgebildet worden. Der Fotograf hatte sich große Mühe gegeben.
    Aber, daß man dem Kunstmaler nichts von dem Brunnen gesagt hatte – das war ja nun wirklich die Höhe.
     
    Auch Dr. Wagner hatte sich zum Schlachtefest eingestellt, im Gehpelz, mit Strickhandschuhen und schwarzen Ohrenschützern. Er hatte eine kleine Kanne mitgebracht und bat das Tantchen um ein wenig Wurstbrühe. Und da er standhaft blieb und keine Anstalten machte fortzugehen, bekam er in Gottes Namen seine Brühe und noch etwas Wellfleisch dazu. Die Schuhe schlug er gegeneinander, weil er kalte Füße hatte. Es war alles nicht so einfach.
    Peter zerrte unterdessen den Weihnachtsbaum aus der Halle und warf ihn vors Haus. Der lichterheilige Baum hatte ausgedient. Er solle mal etwas flüssiges Schmalz auf die Zweigegießen, wie sich die Vögel wohl darüber freuen würden! sagte Dr. Wagner zu ihm.
     
    Sie stiegen hinauf in Peters Zimmer, von Hund und Kater gefolgt, um mit den Studien fortzufahren. Es wurden Holzkloben in den Ofen geworfen, und Katharina setzte sich dazu. «Deutsche Dome»: Sie zeigte das Buch herum und erzählte von dem Maler, der dagewesen war, um alles aufzuzeichnen, jede Ecke und jeden Winkel. Der sich sogar für die Bilder in der Halle und für den maroden Morgenstern interessiert hatte ... Wie gut, daß es Menschen gab, die sich um so was kümmerten. Obwohl – wären Fotos nicht billiger gewesen? Alles abzuzeichnen war doch wohl sehr umständlich.
     
    Wagner blätterte in dem Deutsche-Dome-Buch. Aha, Speyer, schon vor Zeiten von den Franzosen ruiniert; Worms, ausgeweidet wie ein Schwein. Und nun die Luftangriffe: So viel schon zerstört: Lübeck, Königsberg und München. – Was sonst noch alles zerstört worden war in letzter Zeit, zählte Dr. Wagner auf. Ganze Städte, Brücken, Museen

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