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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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mit allem Drum und Dran. Gemälde! Kostbare Bibliotheken auf dem Scheiterhaufen der brennenden Städte!
    Wie gut, daß es Menschen gab, die sich noch darum bemühten, wenigstens im Kleinen zu retten, was zu retten ist!
     
    Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,
    Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus …
     
    Die Gedichte, die er im Kopf habe, könnten diese Terror-Gangster ihm nicht herausreißen, sagte Wagner ... Und er strich mit seinem silbernen Crayon im Echtermeyer Verse an, die es fürdie Nachwelt zu retten gelte, die man also am besten jetzt gleich auswendig lernte.
    Er rezitierte einzelne Gedichte in singendem Tonfall, wie die Alten es taten, und seine Augen füllten sich mit Tränen, und er nahm beide Hände vors Gesicht, um sich ein wenig auszuschluchzen: die Altersflecken und die großen Adern. Das Schicksal seines Vaterlandes ging ihm durch und durch, das konnte man sehen.
     
    Katharina schob ihm den Teller mit Wurstbroten zu, sie war nicht bei der Sache, sie dachte an etwas ganz anderes. Es war so, als ob sie etwas fragen wollte. Aber das, was ihr auf dem Herzen lag, konnte sie hier jetzt nicht vorbringen. Ein unheimlicher Gast sollte eingeschleust werden in das Haus. Heute? Morgen? Übermorgen? Wenn überhaupt! In ihr Zimmer, genauer gesagt. Aber wie sollte das gehen? Sie überlegte hin und her.
     
    ... wo Finsternis aus dem Gesträuche
    mit hundert dunklen Augen sah?
     
    Um von ihr versteckt zu werden, hätte er auf jeden Fall die Halle durchqueren müssen – und das war doch ganz unmöglich. Die knarrende Treppe hinauf? Am Zimmer vom Tantchen vorüber? Die lag doch sowieso dauernd auf der Lauer? Und Jago, der Hund?
    Auch durch die Küche wäre es nicht gegangen, in jedem Fall war die Halle zu durchqueren mit dem mißtrauischen Jago, und die knarrende Treppe. Je vorsichtiger man sich hinaufschleichen würde, desto lauter würde sie knarren, je heimlicher man vorginge, desto wilder der Hund sich anstellen.
    Es blieb nur eine einzige Möglichkeit: vom Park aus über die Staketen der Kletterrosen in ihren Wintergarten steigen und dann ins Zimmer hinein.
    Vielleicht war es ja ein alter Mann? Und der würde das dann gar nicht schaffen? – Das täte ihr dann leid. Das war dann höhere Gewalt.
     
    Gegen Abend setzte sie sich ihre weiße Persianerkappe auf und fuhr nach Mitkau, sie würde mit Brahms sprechen müssen, ob sich die Sache nicht doch in letzter Sekunde absagen ließe?
    Sie nahm Dr. Wagner mit, der das Kännchen mit der Wurstbrühe zwischen den Knien hielt. Der sah sie von der Seite an und freute sich darüber, wie forsch diese Frau die Zügel hielt.
     
    Über den schwarzen Himmel fingerte Polarlicht wie eine weiße Hand: husch! Und ungewohntes Donnergrollen war zu vernehmen. Ein Gewitter im Winter?
    Dem Herrn Wagner mochte ein Gedicht von Eichendorff durch den Kopf gehen, wie er da neben der schönen Frau saß, die Kanne mit der Wurstbrühe in beiden Händen.
    Am Senthagener Tor mußte Katharina die Kennkarte vorzeigen, was sie in der Stadt will, wurde sie gefragt ... «Aha, die Frau von Globig. Und wer ist der Herr? Aha, Herr Dr. Wagner ...»
    Ein Balken wurde zur Seite geschoben, und sie konnte durch das hallende Tor fahren.
     
    Eisiger Wind fegte durch die Gassen Schneewolken vor sich her. Katharina dachte: Noch könnte ich zurück! Einfach umkehren und mich zu Haus aufs Bett legen, nichts hören, nichts sehen ... Einfach nicht hinfahren zum Pastor, der würde wartenund warten und dann aufgeben und sich sagen: Die Frau hat sich’s anders überlegt ...
    Ihr warmes Zimmer, die Bücher, das Radio ... Warum sich auf Wagnisse einlassen, die sie nichts angingen?
     
    Sie setzte den Studienrat in der Horst-Wessel-Straße ab, hielt seine Hand eine Idee zu lange – er mochte das für aufkeimende Zuneigung halten ... Und dann zog sie die Klingel bei Pastor Brahms, der schon, die Uhr in der Hand, auf der Lauer lag. Der schwarze Kirchenklumpen neben dem Pastorat, von dessen Dach ein Schwall Schnee herunterrutschte.
    Er begrüßte sie, und gleichzeitig sah er die Straße hinauf und hinunter, so spät noch ein Gast! Mit Pferd und Wagen! Was würden die Leute in der Nachbarschaft davon halten?
    Er bat sie herein, wobei er sie mit einer Hand begrüßte, mit der andern hereinzog, hinein in seine dunkle, ungelüftete Studierstube.
    An der Wand stand eine Kopiermaschine, an der hatte er gerade gekurbelt.
     
    Ziemlich sofort setzte er ihr alles noch einmal ganz

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