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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Instruments hingen herunter, Sängertreffen zu Breslau ... Ihr liebes Schlesien, nie, nie, werde sie die Heimat vergessen. Und wie sie hinausgeschmissen worden waren und wie der Raffke in der Tür stand, die Hände in den Taschen, und höhnisch gelacht! Sogar dem Gärtner gekündigt, den hätte er doch gut noch weiterbeschäftigen können, der hatte doch Frau und Kind! Auf seinen Holzpantinen hatte sie gestanden und mit ihm getanzt.
     
    Am Brunnen vor dem Tore da
    steht ein Lindenbaum;
    ich träumt’ in seinem Schatten
    so manchen süßen Traum.
     
    «Prost!» sagte sie, und die Frauen schenkten sich neu ein. Katharina tat einen tiefen Seufzer, und das fand das Tantchen komisch. Und sie sprach von Veranlagungen, daß sie immer alles leicht nehme. Und: Arbeiten, das sei eine gute Medizin.
     
    Katharina sah zur Uhr. Sie stand auf und ging im Zimmer hin und her, und dann öffnete sie die Tür zum Sommersaal – «Huh! kalt!» riefen die andern beiden.
    Der Mond war aufgegangen, riesig stand er hinter den Bäumen, und sein Schein fiel durch die hohen schmalen Fenster hell in den Saal ein.
    Sie sah sich um, und es war ihr so, als hätte sie die vom Mond beschienenen Tapetenbilder des Saales noch nie gesehen. Ein Pärchen mit Flöte und Mandoline, tanzende Kinder und ein Soldat mit Mädchen auf einem sich bäumenden Pferd.
     
    Sie sah sich das an, als müsse sie sich das zu guter Letzt noch einprägen.
    Das Flötenkonzert zu Sanssouci – Hauskonzerte ...
    Eberhard war nie nach Feiern gewesen, Tanzvergnügen waren nicht nach seinem Geschmack, und nun saß er in Italien und mochte dort sonstwas anstellen. Vielleicht säße ein schönes Kind bei ihm? Eins von diesen zierlichen dunklen Mädchen, die sich Blumen ins Haar steckten? Wer konnte denn wissen, was in dieser Stunde dort vor sich ging?
    Sie sah Eberhard, wie er sich in einer ärmlichen Bauernstube von einem Mädchen Wein einschenken läßt. Vielleichterzählte er ihr von Georgenhof, und die glaubte ihm vielleicht gar nicht.
     
    Es war lange her, daß sie mit Lothar Sarkander hier gestanden hatte, ganz unverhofft war das passiert, im Sommer war es gewesen, die Türen des Saals zum Park hin hatten offengestanden, sie hatten die Familie auf dem Rasen sitzen sehen, und er dann so gesagt: «Ist es nicht ein Bild? ... »
    Die heimliche Fahrt an die See?
    Man hatte sie im Strandpavillon sitzen sehen, sie mit einem breitkrempigen Strohhut, und er in weißen Hosen.
    Hatte Eberhard denn nie davon erfahren?
    Sie stieß mit dem Fuß gegen die Berliner Hab-und-Gut-Kisten und sagte: «Schade. Wie gut hätten wir hier Feste feiern können.Tanzen...»
     
    Peter kam ihr nach und machte Licht, breit fiel es auf den Schnee da draußen, und der Zauber war verflogen.
    «Um Gottes willen, die Flieger! Verdunklung! Wenn das Drygalski sieht!» rief das Tantchen.
    Sie knipsten das Licht also aus, schlossen die Saaltür und setzten sich wieder vor den Kamin.
     
    Ehe das Tantchen ihr Instrument wieder in Gang setzen konnte, ging Katharina ans Telefon und wählte die Nummer von Sarkander, neun Uhr, es war noch nicht zu spät. Sie ließ es lange klingeln, aber niemand nahm ab. Und gut! Was hätte sie ihm sagen sollen?
     
    Sie ging ins Billardzimmer hinüber, nahm ein Brettspiel aus dem Eckschrank und stellte es auf den Kamintisch: eine blanke Platte aus Eschenholz, mit Ahornintarsien verziert, und ineinem Kästchen die dazugehörenden gedrechselten Figuren, Hirten, Schäferinnen, Schafe. Gehörte das zusammen?
    «Wie wird es gespielt?» fragte sie. – Und das wußte das Tantchen ja auch nicht. «Dieses Spiel ist schon sehr alt», sagte sie. Die Figuren stelle man gewiß aufs Brett, wie’s grade kommt... In einem Lederbecher lagen drei weiße Würfel, und Katharina schüttete die Würfel aus dem Becher auf den Tisch. Eine Eins, eine Drei und eine Fünf.
    Das gab zusammen neun? Was sollte das denn bedeuten? «Vielleicht Nein ?» sagte das Tantchen.
    Das soll bedeuten, daß die Würfel gefallen sind, dachte Katharina und seufzte so laut, daß das Tantchen lachen mußte.
     
    «Heinrich, der Wagen bricht!» Nein, der Reifen um ihre Brust gab nicht nach. Sie holte tief Luft.
    «Wird schon werden», sagte das Tantchen. «Ich glaube, du rauchst zuviel.»
     
    Katharina gab dem Jungen einen Kuß auf die Nasenspitze und sagte gute Nacht. Dann sammelte sie in der Küche allerhand Eßbares ein. Diese Nacht konnte sehr lang werden.
     
    Als sie oben ihre Tür aufschloß, war es einen Augenblick,

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