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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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große Findlinge unter Birken. Und hinten drin eine größere Karte zum Aufklappen!
    Das war ja eine Kostbarkeit! Der Baron erwartete ohne weiteres, daß Katharina sie ihm schenkte, wo er doch die Heimat verloren hatte, und ihr kann dieses Büchlein doch ganz gleichgültig sein! Aber Katharina klappte die Karte zusammen und nahm die Schrift mit in ihr Zimmer.
     
    Den Sessel stellte er neben den Ofen. Und da saß er dann, den Kater an seiner Seite, und sortierte seine Papiere. Der Papagei in seinem Käfig verhielt sich abwartend. Der sah alles ganz genau.
    Hin und wieder stand der Baron auf und blickte aus dem Fenster, den Kater unter dem Arm, und er sah auf die Chaussee hinab, auf der sich der Verkehr belebte. Wann würde man hier wegkommen? Man saß hier ganz schön in der Falle.
    Der Wind rüttelte am Fenster. Oder waren das die Detonationen?
     
    Manchmal rief der Baron die ranke Sonja herbei und zeigte auch ihr, wie interessant die Chronik ist, die er da schreibt, und bat in ihrer Sprache um eine Tasse Kaffee, und ob noch was von dem Honig da sei? Ein Honigbrot wäre jetzt nicht verkehrt. AlsBalte sprach er Russisch, und er sprach es so elegant aus, als sei es Französisch, und Sonja guckte nicht schlecht, als er sie so höflich bat und sie ganz ohne weiteres um die Knie faßte und dazu mit seinen Goldzähnen sehr freundlich lachte. Alt war er, das war nicht zu leugnen, aber ein fröhlich’ Herz klopfte in seiner Brust.
    Ob sie ihm wohl eine Wanne «warm Wasser», bringen könnte? fragte er, und dann kniete sich seine Frau vor ihm hin und beschnitt ihm die Fußnägel, einen nach dem anderen.
     
    Peter zeigte dem Baron seine Chronik von Georgenhof, diesen Aufsatz, zu dem ihn Dr. Wagner angeregt hatte. «Gut! » stand in roter Tinte unten drunter.
    Dieses Elaborat sei ja sehr schön! sagte der Baron. Aber er sollte mal hier sehen: Er selbst habe schon einhundertvierundsechzig Seiten beisammen, das achtzehnte Jahrhundert habe er bereits hinter sich gelassen ...
    Und er hätte sich wohl noch eingehender geäußert, wenn Dr. Wagner nicht von nebenan gekommen wäre und den Jungen gemahnt: «Mein Junge, nun komm, wir wollen weitermachen, du störst den Herrn Baron.»
    Er hatte sich inzwischen überlegt, ob man nicht gemeinsam «Hermann und Dorothea» durchnehmen könnte. Das wär’ doch jetzt ganz passend.
    Die blaue Schleife sollte er man abmachen von seinem Elaborat, hatte der Baron noch gesagt. Die stehe mit seinem Aufsatz in keinem Zusammenhang! Und er hatte den Jungen gebeten, ihm Katharinas kleine Broschüre noch einmal kurz zu bringen, «Wege und Straßen im Baltikum, ein Wanderbuch». Er wolle noch mal eben schnell etwas nachschlagen darin.
     
    Dann schloß der Baron die Tür ab, setzte den sich buckelnden Kater auf den Boden und zählte sein Geld; der Wappenring an seinem Finger. All sein Geld hatte er abgehoben von der Bank, als es noch ging, obwohl Freunde ihn gefragt hatten, ob er meint, daß das richtig ist? Jetzt trug er es bei sich in einer Innentasche seines Mantels. Nun konnte ihm nichts mehr passieren.
     
    Am Abend traf man sich in der Halle am Kamin, mit Jago, dem Hund, dem Kater und dem Papagei, die Flammen schlugen hell auf! Auch Dr. Wagner wurde dazugebeten. Woher? Wohin? Der Baron, der sich sofort in Eberhards Gewohnheitssessel setzte, erzählte von seiner Chronik und davon, daß er seine Ahnen weit zurückverfolgen konnte. Seine Frau trat hinter ihn und püschelte ihm die Schuppen vom Jackenkragen.
    Auch Dr. Wagner hatte Ahnen, aber die standen irgendwie nicht zur Debatte. Er trug zwar einen Spitzbart, aber der Baron verwahrte ein reguläres Monokel in einer der mit Flanell ausgeschlagenen Westentaschen. Das benutzte er, wenn er sich Gehör verschaffen wollte. Dagegen kam der Studienrat nicht an. Tantchens Schlesien, ganz schön und gut, aber was seine Heimatstadt anbetraf, da lagen die Dinge doch ganz anders.
     
    Sein liebes Königsberg! sagte Dr. Wagner und strich den Spitzbart nach vorn. Am Pregel in einem kleinen Restaurant gebratene Flundern gegessen ... Und dann das Tuten der großen Schiffe vom Hafen her ...
    Da nahm der Baron sein Monokel hervor und musterte den Studienrat, und die Sache war wieder im richtigen Gleis: Mit den Flundern mochte es sich verhalten, wie es will. – Ein Ochse am Spieß! In seiner Heimatstadt hätte man Ochsen am Spieß gebraten! Und in früheren Zeiten Schwäne gegessen, übrigensauch Pfauen! Was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann.
    «Nu

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