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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Tropfen nehmen.
    Der Beamte hielt Katharina beim Hinuntergehen nur eben mit zwei Fingern am Ellenbogen. Aber er blieb an ihrer Seite. «Wie konnten Sie bloß so was tun, Frau von Globig ... einen Juden verstecken?» flüsterte er ihr zu. «Hat Ihr Mann von der Sache gewußt? Einen Juden!» – Man werde ihren Mann in Italien vernehmen müssen, ein Fernschreiben sei schon abgegangen. Den würde es gewiß auch interessieren, daß dieser Mann einen Tennis-Pullover von ihm getragen habe, am Monogramm sei es festgestellt worden: «EvG». Der würde gewiß sonstwas denken. – Sonstwas? Hatte sich denn hier sonstwas ereignet?
    Es könnte sein, daß sie dem Pastor gegenübergestellt werde, den man schon habe wegschließen müssen.
    «Einem Juden zu helfen ... Was war das aber auch für ein Subjekt, was haben Sie sich bloß dabei gedacht? Wenn’s ein Verbrecher gewesen wäre ... »
    «Es war ja nur eine Nacht», sagte Katharina. Ihre Tür im ersten Stock stand nun weit offen.
     
    In der Halle sah sich der Beamte noch ein wenig um, machte sich an der Schatulle zu schaffen, die Briefe dort würde man alle lesen müssen. Die Sammeltassen, der Drahtrahmen mit dem Foto des zaristischen Offiziers ... Alles sehr merkwürdig. Naja, diese Gutsbesitzer, das war eben doch eine ganz andere Welt.
     
    Peter war nicht mit nach oben gegangen, der kriegte auch so alles mit, der stand am Billardtisch und rollte die Kugeln gegen die Bande.
    Die aufgereihten Jagdtrophäen, Gehörn, Geweih, eins neben dem andern, und der ausgestopfte Sauenkopf, das stammte alles noch von dem alten Globig.
    Katharina nahm ihr Medaillon vom Hals und legte es in die Schale vor dem Kamintisch, zog den Mantel an und setzte ihre weiße Pelzkappe auf. Sie nahm den Jungen in den Arm und guckte ihn ernst an. Würde es lange dauern?
    «Wird sie bald wiederkommen?» fragte das Tantchen den Beamten, und sie tat das so laut, als sei Katharina schon fort. Der Hund Jago schnappte nach der Hand des Beamten. «Willst du wohl?» sagte der und wischte sich die Hand ab.
     
    Im Waldschlößchen standen die Fremdarbeiter auf der Terrasse. Der Tscheche mit der ledernen Mütze, der Italiener mit dem Badoglio-Hut und der Rumäne mit Zahnschmerzen. Sie lachten. Waren diese Leute denn schadenfroh? Sie guckten hinter sich und riefen ihre Kameraden herbei, hier gab es was zu sehen!
     
    Als Katharina bereits in das Auto gestiegen war, lief das Tantchen noch hinter ihr her und sagte: «Den Schlüssel, Katharina! Den brauchst du doch jetzt nicht mehr.»
    Vera steckte ihr im letzten Augenblick noch Brot und Wurst zu. Die wußte, wie es ist, wenn man abgeholt wird und nicht einmal ein Stückchen Brot hat!
    Das Auto fuhr davon, und die Ahnen in der Halle rissen die Augen auf.
     
    Die Hesses drängten sich um Drygalski, wären sie bloß schon längst weitergezogen! Ob sie morgen weiterziehen dürften? fragten sie den Oberwart.
    «Warum denn nicht?» sagte Drygalski. «Worauf warten Sie denn noch?»
    «Ja, müssen wir denn nicht auch noch vernommen werden?» fragte der Schulmeister. Da er nichts verbrochen hatte, wäre er liebend gern vernommen worden. «Und die Verfügung? Ist denn die Verfügung schon da?»
    «Wären wir bloß nicht hierher gekommen», sagte die Frau. Aber das war ja höhere Gewalt gewesen. Drygalski war es gewesen, der sie eingewiesen hatte.
    «Ich will Ihnen mal was sagen», sagte Drygalski, der noch ein wenig in den Schränken kramte, «am besten ist es, Sie gehen sofort auf die Straße und machen, daß sie fortkommen. Zoffort! Hören Sie? Zoffort! »
    Und dann ging er selbst fort, seiner Frau Mitteilung machen von dem unerhörten Ereignis.
     
    Seine Frau trug an diesem Tag eine weiße Bluse, und sie hatte sich die Nadel angesteckt, die ihr der Mann in Braunlage spendiert hatte. Sie hatte mächtig eingeheizt, und Suppe der guten alten Art stand auf dem Tisch. Ein Stück Schokolade konnteman ihr jetzt schenken. Aber das tat er nicht, er aß sie selber. Und sie staunte und lobte ihren Mann.
    Die Frau von Globig verhaftet? Und sie sagte es laut und deutlich: «Das hat diese Frau nicht verdient.» – Da schmiß Drygalski die Tür.
     
    Inzwischen rollten Pferdewagen auf den Gutshof. Der Treckführer hielt dem Tantchen eine Bescheinigung unter die Nase, daß sie in dieser Nacht hier rasten dürften.
    Frauen und Kinder sprangen von den Wagen und strömten ins Haus, ob sie sich irgendwo waschen könnten? Und ernste Männer verhandelten mit Wladimir um Achsenschmiere.
    Die

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