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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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fühlte er sich ein bisschen besser, und sie erzählte ihm von den Schweizer Arschgeigen, die so erfreut darüber waren, wie’s in der Welt zuging, weil’s immer nach ihrem Willen ging. Tim begann, über Nestlé-Vertreter in weißen Kitteln zu lästern, die mit Milchpulverproben herumliefen und den Frauen vom Stillen abrieten. Aber darüber ärgerte sie sich aus irgendeinem Grund nun wirklich. Davon habe sie nicht gesprochen. Er verstehe sie nicht. Im Grunde sei es fast eine sexuelle Angelegenheit gewesen. Sie hätten gegrinst, weil es ihnen – allen dreien – gefiel, böse zu sein.

    So wie sie »böse« sagte, hätten sie nun selbst Sex haben können, wären da nicht seine kleinen Shrimps gewesen. Stattdessen wurden sie gereizt und stritten sich. Sie sah sich die Schweiz verteidigen, wo sie doch das genaue Gegenteil hatte sagen wollen. In Wirklichkeit täten die Schweizer selbst nichts Verkehrtes, sagte sie, das überließen sie anderen. Sie schlugen Profit aus der Gier anderer Menschen. Denn so geht’s nun mal zu in der Welt. Ja, sagte er. Ja, genau.
    Später, im Dunkeln, sagte sie, sie sei der Schmerzen müde, die sie zufüge, einfach indem sie am Leben sei. Sie sei ihrer endlosen Bedürfnisse müde. Und sei auch seiner müde. Sie sei seiner müde und der Tatsache, das sie auch ihm Schmerzen zufügen werde. Wenn er wolle, könne sie es gleich auf der Stelle tun, aber mit Sicherheit werde sie ihm irgendwann Schmerzen zufügen.
    Er sagte, das sei nun wirklich seine Sache. Seine allein.
    Sie befanden sich in San Cristóbal de las Casas. Es war eine schöne Stadt, mit Büchern in den Läden und echtem Kaffee in den Touristencafés. Sie war das Zentrum der Rebellenbewegung in Chiapas, Mexiko, und Elaine hatte das Gefühl, zu einer wichtigen Zeit an einem wichtigen Ort zu sein. Sie hoffte, dass für die Leute hier alles gut werden würde, ebenso für sie und Tim, dass sie sich immer lieben und guten Kaffee trinken und ihm niemals die Haare ausfallen würden.

5.
    Als sie wieder in Dublin waren, packte sie den Morgenmantel mit den Blumen auf dem Rücken aus und sagte: »Ich muss einen anderen Job finden, ich muss etwas tun, ich kann dieses verdammte Land nicht ausstehen. Für dich ist es in Ordnung.«
    »Wir könnten in Frankreich leben«, sagte er.
    Da fuhr sie ihn an: »Was tust du eigentlich? Wofür bist du?«
    Er hob die leeren Hände.
    »Dieses verdammte Land«, sagte sie. »Du hast ja keine Ahnung. Komm mit mir nach Cork. Dann wirst du deine Meinung ändern.«
    Doch er liebte sie alle, und sie liebten ihn. Ihre Brüder nahmen ihn auf ein Pint mit in ihre Stammkneipe, und ihr Vater redete über Tornados in Amerika und fragte, ob er je einen erlebt habe. Im Wohnzimmer drehte sich alles nur um den Großen Ami, keiner stellte ihnen zur Abwechslung mal eine Frage über Italien, Mexiko oder auch nur über die North Circular Road. Niemand fragte etwas, höchstens, ob er eine Tasse Tee wolle, denn in diesem Haus, so viel wurde klar, standen Fragen außer Frage. Das war ihr bislang gar nicht aufgefallen. Fragen waren unhöflich. Und Tim verstand sich besser als alle anderen auf dieses Spiel – man blickte nicht auf die Tischdecke, auf die Tasse in der Hand oder auf irgendeines der traurigen Dinge, die sie angesammelt hatten, sondern beteiligte sich stattdessen an einer ausufernden Diskussion über alle möglichen Wetter und Unwetter, vom Eis auf dem Lake
Michigan bis zum Sturm in Bukarest, bei dem sich einem die Haare statisch aufgeladen sträubten.
    »Was Sie nicht sagen«, bemerkte ihr Vater, hinter ihm sein kleiner Büchervorrat, tot im Regal.
    Sie überließen ihm das Sofa zum Schlafen. So musste sich Elaine mitten in der Nacht hinunterschleichen, und sie hatten den leisesten Sex, den die Menschheit kannte. Langsam bewegten sie sich über den Fußboden, bis sie schließlich unterm Tisch lagen. Als Elaine aufblickte, sah sie ein Boot, das sie, als sie neun oder zehn war, an einem todlangweiligen, nicht enden wollenden Nachmittag mit Kreidestiften gemalt hatte. Ein grünes Boot mit einem blauen Segel. Ihr Geheimzeichen.
    »Wohin möchtest du?«, fragte er. »Wohin möchtest du jetzt?«

Grün
    Ich mag Gertie, aber sie kapiert’s einfach nicht. Sie und diese beiden Aasgeier, mit denen sie zusammenarbeitet. Dauernd machen sie abfällige Bemerkungen – wenn ich das Restaurant betrete, herrscht bedrückende Stille, dann ist wieder Normalbetrieb angesagt. Sie wischen Fingerabdrücke von einem Glas, streichen mal eben

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