Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
hatte. Oder war’s in Paris? Glauben Sie mir, dieser Ort ist einfach verrückt. Aber alle Orte sind verrückt, und ich war verliebt.
Und bin’s noch immer.
Ich glaube nicht, dass Gertie weiß, was »Bio« bedeutet. Da ruft sie mich gestern aus heiterem Himmel an und sagt, sie benötige Radicchio für vierzig Personen.
»Und außerdem«, fuhr sie fort und spulte eine armlange Liste herunter. Sonst noch was?, dachte ich, ganz schön dreist. Aber ich sagte: »Aha!« Und: »Mhm!« Ich versprach nachzuschauen, denn »Bio« ist nicht immer vorrätig.
»Oh«, machte sie.
Ich ging hinaus zu den Folientunneln, konnte J. P. aber nicht finden. Also begab ich mich zum Werkzeugschuppen, schnappte mir die Handsäge und rückte dem armen Ahorn zu Leibe, bis er nur noch ein einziges blutig grünes Gewirr war. Es ist sehr befriedigend, einen Baum zu fällen. Der Arbeitsaufwand ist minimal, das Ergebnis katastrophal: Aus dem Weg!, und – wusch! – stürzt der Himmel ein.
Nach einer Weile tauchte J. P. auf.
»Was gibt’s?«, fragte er.
»Gertie möchte Radicchio für vierzig Personen«, antwortete ich.
»Na, ist doch gut.«
»Menschenskind, J. P.«, sagte ich, »kauf bloß nie’ne Kettensäge.«
An jenem Abend war ich völlig deprimiert. Ich lief unter der Folie entlang und lauschte der Berieselungsanlage. Ich bin wirklich nicht sentimental, was Gemüse angeht, aber ich glaube, ich habe geweint. All die schönen Reihen Grün. Mir war danach, Gertie anzurufen und ihr zu sagen, die Kaninchen oder die Sägewespen seien über die Pflanzen hergefallen. Paraquat im Bewässerungssystem. Irgendwas. Es gibt keinen Radicchio mehr. Der ganze Radicchio ist hinüber, Gertie.
Mam sagte: »Vielleicht ist es ein Neubeginn. Ein Sinneswandel. Jetzt wird sie dich ständig anrufen.« Ich glaube nicht, dass Mam versteht, wie’s in meinem Geschäft derzeit läuft. Ich biss die Zähne zusammen und sagte: »Mam … jeden Tag fahren zwei Kühllieferwagen für mich nach Dublin. Einer sogar bis zum Flughafen, weil sie in Scheiß-London meine cime di rapa essen, die – seien wir doch ehrlich -, nichts anderes als aufgemotzte Steckrübenblätter sind. Und jetzt ruft Gertie zehn Jahre zu spät an und sagt, sie will meine Erzeugnisse. Zehn Jahre, in denen sie immer nur gesagt hat, natürlich seien meine Karotten köstlich, aber sie sähen ein bisschen komisch aus, und nach cime di rapa bestehe hier in der Gegend keine
Nachfrage, einige ihrer Kunden zupften sogar die Basilikumblätter aus der Pasta, da sei nichts zu machen.«
»Na und?«, fragt Mam. »Dann hast du doch jetzt gewonnen.«
Aber mir kommt es nicht vor, als hätte ich gewonnen. Es klang nicht nach gewonnen , als ich mit Gertie telefonierte. Es sei eine Hochzeit, sagte sie. Für die Braut sollte alles Bio sein – sie habe darauf bestanden. Warum auch nicht, schließlich gehören ihrem Vater die Hälfte aller Rinder im Land. »Wenn jemand weiß, was alles in Rindfleisch drin ist«, sagte Gertie, »dann sie.« Und darüber mussten wir ein bisschen lachen, bevor ich auflegte und mich auf die Suche nach einem Vernichtungswerkzeug – egal welchem – machte und nach einem Baum, den ich fällen könnte.
Ich werfe meinen Radicchio vor die Säue.
Als ich J. P. heiratete und ihn zu ökologischer Landwirtschaft überredete, gab es im Umkreis von achtzig Kilometern kein anderes Restaurant als das von Gertie. Den Kinderwunsch hatten wir für die ersten fünf Jahre auf später verschoben und schufteten jede einzelne Stunde, die uns von Gott geschenkt wurde, und dann und wann nahm Gertie uns ein wenig Grünzeug ab, um uns unter die Arme zu greifen. Aber sie hatte eine Köchin, die völlig besessen war von »feiner Küche«, von allem, was in »französischer« Sauce ertrank, und natürlich von Kartoffeln und Ist dein Daddy auch satt geworden? Ich glaube, Gertie fürchtete sich vor ihr. Die andere hatte einen Kurs in Ballymaloe besucht und war anfangs sehr hochnäsig. Mein Problem war natürlich, dass ich die ganze Zeit hochnäsig
war (vielen Dank, St. Matilda’s), sodass keine von beiden meine köstlichen krummen Karotten anrühren wollte, selbst dann nicht, wenn ihr Leben davon abhing. »Da gibt’s zu viel zu putzen« , sagten sie. Ich weiß das, weil J. P. und ich in der trüben Hoffnung, ein bisschen Umsatz zu machen, fünf Jahre lang jeden Samstagabend unsere Gummistiefel aus- und etwas halbwegs Anständiges angezogen hatten, um in der Stadt in Gerties Restaurant essen zu gehen. Wir
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