Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
musstest du flachlegen. Ich bin mit Typen in die Schule gegangen, die waren so bescheuert, dass man sich, wenn man ihnen auf dem Football-Feld zuschaute, gedacht hat: Warum fressen wir die nicht einfach? Die ganze Horde. Das wäre doch bestimmt viel nutzbringender.«
Die Sonne sank wie ein Stein. Die Mahlzeit und das Bier bereiteten ihnen in der Hitze eine Gänsehaut. Das Essen
brachte ihr Blut in Wallung, bis ihre Haut überempfindlich wurde; ein Kribbeln und Jucken, das Gefühl, jemand beugt sich über deine Schulter, um dir etwas zuzuflüstern. Was? Deinen Namen oder deinen anderen Namen, dein Geheimnis. Am Ende eines jeden Tages in Mexiko streifte sie die Scham; der Flügel eines schmutzigen Vogels, den jemand in den Sand geworfen hatte.
»Verfluchte Scheiße«, sagte sie. »In der Welt dreht sich heutzutage alles immer nur um Amerika. Das ist überhaupt kein Land, sondern eine verdammte Religion. Ich hab ja nichts dagegen. Ich bin vollkommen glücklich mit dir, so wie du bist. Ich bin vollkommen glücklich mit dir als einem ethnischen Produkt . Aber könnten wir bitte von jetzt an den Schaum auf der Milch und das Wetter in meinem verdammten Haar vergessen, für immer?«
Am nächsten Morgen beim Frühstück betrachtete sie die Spiegeleier auf ihrem Teller, war überzeugt, sie sei schwanger, und hielt sich vor Schreck an der Tischkante fest.
Es war jedoch Tim, dem übel wurde. Sie reisten ins Landesinnere, und er blieb im Hotelzimmer, während sie von San Cristóbal de las Casas aus einen Tagesausflug unternahm. Es hieß, in den Bergen trieben sich Rebellen herum. Elaine saß auf der Ladefläche eines Pick-ups, hoch oben im Buschland, und sah zu, wie eine Gruppe Männer sich mit Säcken voller Kaffeebohnen bergauf quälte.
Nach ungefähr einer Stunde hielten sie an einem Café an – nur ein Dach, darunter ein Tisch und ein kaputter Kühlschrank voll knallrosa Cola. In der Mitte
des Tisches stand eine Schale mit Pulverkaffee, der auf dem gemeinschaftlich benutzten Löffel zu einem schimmernden Sirup wurde. Ein verdrecktes kleines Mädchen musterte sie mit scheuer Furcht, während sie aus Plastiktassen tranken. Die Augen waren das einzig Saubere an ihr – bis auf das Innere ihres Mundes, wenn sie lachte.
Die anderen Fahrgäste im Pick-up waren Schweizer. Sie arbeiteten, wie sie sagten, für die FIFA, den Weltfußballverband: zwei Männer und eine gewitzte, ausgelassene Frau, alle drei mit Baseballkappen, auf denen das Verbandslogo prangte. Sie wusste nicht, was die drei hier wollten. In den Dörfern, durch die sie gekommen waren, hatte sie keine Fußball spielenden Jungen gesehen; sie hatte viele aus Holz gebaute evangelische Kirchen und eine Menge Schmutz gesehen.
Sie fuhren an einer Kaffeeplantage vorbei, und Elaine sagte, es sei schade, dass die Leute nicht den Kaffee tränken, der hier an ihren eigenen Hängen wachse, dass sie stattdessen mit dem abscheulichen Nestlé-Pulverkaffee vorliebnehmen müssten. Die Schweizer sahen sie an. Nach einer Weile sagte einer der Männer: »Well, that’s the way the world goes.« Er warf der Frau einen Blick zu und grinste kurz. Sie grinste zurück. Dann wagte der andere Mann ein verstohlenes kleines Lächeln. Sorglos wandten sie sich voneinander ab und beschauten sich wieder die Armen am Straßenrand.
Diese verdammten Schweizer. Sie sprachen perfekt Englisch mit ihr und perfekt Spanisch mit dem Fremdenführer. Vermutlich konnten sie »Tja, so geht’s nun mal
zu in der Welt« auf Französisch, Italienisch und auch auf Deutsch sagen. So geht’s. C’est comme ça .
»Ist der Krieg schon aus? La guerre, est-elle terminée?«
Sie versuchte herauszufinden, welcher der beiden Männer mit der Frau schlief; eine Art Partygirl, das längst kein Girl mehr war. Mindestens fünfundvierzig. Sie hatte viel Spaß auf der Ladefläche eines Pick-ups in Chiapas.
Die Männer waren mittleren Alters. Bei Männern passiert es ganz plötzlich, dachte sie. Erst der Haarausfall und dann, peng!, das große Fressen, Limousinen, Überstunden, Fett. Well, that’s the way the world goes . Sie fragte sich, ob das wohl auch Tim bevorstand, der im Hotel festsaß. Womöglich litt er unter Amöbenruhr – zumindest hielten sie es für möglich. Alle paar Stunden schlugen sie den Reiseführer auf, um Diagramme von Kleinstlebewesen zu begucken, die wie kleine Shrimps aussahen, und fragten sich, ob das wohl die Dinger waren, die in seinen Gedärmen herumschwammen.
Als sie zurückkehrte,
Weitere Kostenlose Bücher