Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
ein Tischtuch glatt. Natürlich sind sie eifersüchtig – die Aasgeier, meine ich: junge Frauen, denen man im Lauf der Jahre hat zuschauen können, wie sie sich verschließen, wie sie verbittern. Doch von Gertie hätte ich mehr erwartet.
Manchmal würde ich am liebsten alles hinschmeißen. Jedenfalls habe ich meiner Mutter gegenüber so etwas mal erwähnt. Ich sagte, ich würde gern anderswo ganz neu anfangen. Frankreich – warum nicht?
»Ach, die Stadt ist halt sehr klein«, sagte sie und schaute aus dem Fenster auf die Straße hinaus.
»Nein, Mam«, antwortete ich. »Das ist es nicht.« Aber natürlich hatte sie recht. Es sind die kleinen Dinge, die dich fertigmachen. Es sind die kleinen Dinge, die bewirken, dass du dich zum Fenster wendest und dich fragst, wie lange du noch durchhalten musst, bis du dich mit Anstand hinlegen und sterben kannst.
Mam war eine Schönheit; damit musste sie sich herumschlagen. Es gibt Frauen, die nach der Kirche noch immer nicht mit ihr reden, weil ihre toten Ehemänner irgendwann einmal, als sie vorüberging, etwas gesagt haben, oder auch nicht.
Und natürlich ging ich auf die »bessere« Schule – St. Matilda’s. Jahre der Frostbeulen und des Grießbreis; eine Französischlehrerin, die dir mit Maupassant eins überzog, mit der gebundenen Ausgabe – Miss Nugent hieß sie, oder sollte ich sagen: Mamsell Nuchon -, sechs Jahre der Qual, damit du dir einen Mann mit gut geschnittenem Anzug, vielleicht auch mit Allradwagen angeln kannst.
»Ihr seid die Zukunft«, sagte Schwester Albert und entließ uns, damit man uns wegen unserer Stöckelschuhe mit T-Riemchen und unserer Vorliebe für Campari mit Limone in Hotelbars von Birr bis Crossmolina hassen konnte. »Lieber sterb ich«, sagte ich. Aber: »Wieso denn nicht?«, fragte meine Mutter nur. »Wieso denn nicht einen netten, gut situierten Mann heiraten?« Ich erwiderte, es gebe bessere Möglichkeiten, sich die neuen Sanderson-Vorhänge zu beschaffen, als auf dem Rücken zu liegen – ich würde mir das Geld selbst verdienen. Oder auch kein Geld, wenn ich es darauf anlegte. Und ich packte meine Tasche für die Uni und schüttelte mir den Staub dieses elenden Kaffs von den Schuhen.
Jetzt bin ich hier. Bin wieder da.
Gertie war natürlich auch eine von St. Matilda’s. Sie war drei Jahre über mir gewesen, und ich fand sie so richtig schön und so richtig langweilig. Oder schlimmer noch
als langweilig – diese traurige Art, wie Schwester Albert sie anlächelte und Gertie ihr Lächeln erwiderte. Gertie war eine Heilige. Als sie einmal versuchte, einen Tampon einzuführen, sank sie ohnmächtig gegen die Tür der Toilettenkabine: krabums . Sie ist nie aus der Stadt herausgekommen. Sie heiratete den Mann, den sie heiraten sollte, und sie bekam die Vorhänge, die sie bekommen sollte. Inzwischen säuft er täglich ab halb eins, und Gertie sagt, wenn’s um einen guten Bordeaux geht, ist er unfehlbar.
Halt dich ran, Gertie. St. Matilda’s ist trotz allem stolz auf dich.
Gestern hat sie mich angerufen. Sie hat mich tatsächlich angerufen. Sie war furchtbar freundlich. Ich war furchtbar freundlich. Ich habe in die Sprechmuschel gelächelt und genickt, als wäre ich nicht recht bei Trost.
»Aha!«, sagte ich. »Mhm!« Dann legte ich auf, ging hinaus und fällte den Ahorn, der sich an der hinteren Mauer breitgemacht hatte. Natürlich war er viel zu groß für mich, und jetzt liegt ein Gewirr von Ästen herum, und von dem Baum ist nur noch ein idiotischer Stumpf übrig, völlig verstümmelt und nur halb am Leben.
Denn so seltsam es klingt, ich habe am Ende doch einen Mann aus dem Ort geheiratet. Und er besitzt einen Allradwagen. Den brauchen wir für den Bauernhof. Um es kurz zu machen: Elf Jahre nach meinem Weggang war ich wieder da und schritt in einem weißen Kleid durch den Mittelgang der Dorfkirche, dieser gotischen Scheune, und die Spukgestalt meiner Kindheit rutschte mit klebrigen Knien auf dem grünen Kunstleder hin und her: Jetzt
benimm dich! Es herrschte eine solche Kälte, dass meine Arme orangerot gefleckt waren und wie Hühnerschlegel aus dem weißen Kleid herausragten. Ich zitterte – und nicht nur vor Kälte. Aber bestimmt hat ihnen auch das gefallen. Wie ich, das gerupfte Huhn, vor den schmalen, zu Tränen gerührten Augen der Stadt den Gang entlangschritt. Sieht sie nicht bezaubernd aus? Nur um später zu sagen, ich hätte schreckliche Durchblutungsstörungen von den vielen Drogen, die ich in New York genommen
Weitere Kostenlose Bücher