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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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Hamster nicht abholen, wenn wir nach Hause kommen.«

    Vollkommene Stille. Einen Schritt vom Spülbecken entfernt schnappte eine Autotür zu, und man konnte die Nachbarn hören – zwei süße kleine Mädchen und ihre perfekten Eltern -, die die Holzstufen zu der Veranda neben ihrem eigenen Wohnmobil hinaufstiegen.
    Als Michelle sich aufrichtete, zwickte es furchtbar in ihrem Kreuz. O ja. Ein guter, altmodischer Schmerz. Die Waschmaschinen auf dem Campingplatz waren eine Katastrophe, sodass sie sich mit Wipp Express und der Plastikkiste begnügen musste, die sie für das Kinderspielzeug mitgenommen hatte. Sie hängte den Duschkopf in die Kiste und warf die Wäscheknäuel obenauf, damit er sich nicht drehte, wenn sie das Wasser anstellte. Sie sah zu, wie die Knäuel sich lösten, die Kleidungsstücke nach oben trieben und zu schwimmen begannen, dann beugte sie sich erneut vor, um die Wäsche ein zweites Mal durchzukneten, herumzuwirbeln und auszuwringen. Die Arbeit ging sogar recht angenehm von der Hand; sich um die Familie kümmern, wenn sie nicht da war und einen nervte; sie liebevoll behandeln in Gestalt ihrer Klamotten. Sie warf die Wäscheknäuel ins Spülbecken: Emmets blaue Baumwollshorts; Katys zerschlissenes Kätzchen-T-Shirt mit der Paillettenkrone; Decs Heavyweight-T-Shirt, das er trug, weil sie es mochte, obwohl er der Meinung war, alle T-Shirts sähen gleich aus. Schließlich war da noch ihr eigener verknitterter Rock, dem man es ansah, dass er nur ein billiges Baumwollding war. Es wird Zeit, dass es vorangeht, dachte sie. Zeit, so auszusehen wie die Leute, denen es »so einigermaßen« geht. Ganz zu schweigen von denen, denen es »gut« geht.

    »Emmet! Katy!«, rief Dec. »Eure Freundinnen sind da.«
    Man konnte den Luftzug spüren, als die Kinder vom Hochbett herunterkletterten. Als sie den Kopf aus dem Duschbad reckte, warteten sie bereits stocksteif an der Eingangstür. Auf der Schwelle standen die beiden perfekten Mädchen in aufeinander abgestimmten pinkfarbenen Caprihosen und leuchtenden Turnschuhen.
    Patt.
    »Möchtet ihr nach draußen gehen und spielen?«, fragte sie.
    Katy blickte über die Schulter, um sich bei ihrer Mutter abzusichern, doch Emmet ließ sich nicht ablenken. Er starrte weiterhin die Mädchen an. Dann sagte er großspurig: »Ich hab im Auto’nen halben Doughnut gegessen.«
    Die Mädchen dachten darüber nach. Und waren beeindruckt.
    »Wo seid ihr denn Schönes gewesen?«, fragte Michelle.
    »Wir waren unter der Brücke«, antwortete das größere Mädchen.
    »Toll.« Und dann waren alle vier verschwunden. Sie hätte erleichtert aufatmen können, wie ihre Mutter früher, aber Michelle konnte nicht loslassen. Sie war es nicht gewohnt. Während sie die Wäsche wieder in die Plastikkiste warf, horchte sie nach den Stimmen draußen auf dem Weg, Katy war schüchtern, und Emmet erst drei: Sie waren noch nie allein draußen gewesen, und sollte Stille eintreten, würde sie sofort hinauseilen, um nachzusehen, wohin sie verschwunden waren. Besser wäre es allerdings, gleich hinauszugehen und so zu tun, als sei sie beschäftigt,
oder sich tatsächlich mit etwas zu beschäftigen, so wie jetzt, als sie die kleinen Flecken Sonnenscheins auf dem hölzernen Verandageländer jagte, in denen sie die Wäsche aufhängen musste, weil der Standplatz, den man ihnen zugewiesen hatte, im Schatten lag.
    Auf der Sonnenseite der kleinen Straße saß eine Frau vor ihrem Wohnmobil, in der Hand ein Glas Rosé. Die andere Hand ließ sie über die Lehne ihres weißen Plastikstuhls baumeln, das Gesicht der Sonne zugewandt. Eine Wohltat. Kein einziges Kind in Sicht. Sie hatte mindestens sechs, wenn nicht gar mehr – zwei von ihnen schliefen im Auto. Es war Dec, der es schließlich rauskriegte.
    »Seine, ihre und die von ihnen beiden«, sagte er eines Abends, als er sie während des Abendessens beobachtete. Sie hielten beide inne und schauten noch einmal hin.
    »Die ist gut in Schuss«, sagte Michelle.
    »Meinst du?«
    Die meisten Leute auf dem Campingplatz hatten zwei. Wie ihnen ging es den meisten Leuten »so einigermaßen«. Vermutlich ging es ihnen nicht »gut« – diese Frau hatte ihr Schwangerschaftsgewicht noch nicht verloren, und die Beine jenes Mannes nahmen sich etwas sonderbar aus in seinen Shorts – doch selbst »so einigermaßen« kostete ein verdammtes Vermögen.
    Sie waren in der Vendée, im Grunde genommen das Gleiche wie die Grafschaft Louth. Flach. Ihrer Meinung nach war es die am wenigsten

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