Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
in meinem Luftholen den Versuch eines Widersprechens und ereifert sich weiter.
Inzwischen habe ich fast die Nase voll von Shay. Ich beobachte ihn und warte auf das Ende unserer Liebe – dieser profanen, gewöhnlichen Trinkerliebe, die wir immer füreinander empfunden haben. Jetzt wirkt er unerträglich grob; die Beschaffenheit seiner Haut, das große Mienenspiel in seinem großen Gesicht. Er sagt, er
wisse nichts – nun, er weiß sehr wenig – von der ganzen Geschichte und was da vor sich geht, aber in all diesen Situationen, wie kompliziert und beschissen sie auch sein mögen, sei es wichtig, zu wissen, wer was getan hat. Letzten Endes, sagt er, sei es wichtig zu wissen, was der eigene Mann während des Krieges getrieben hat .
Ich zünde mir eine weitere Zigarette an. Shay sieht meinen Gesichtsausdruck und beruhigt sich.
Danach folgen Aufsässigkeit, Bedauern, eine wortreiche bittere Entschuldigung – bei alldem muss ich ihn aufmuntern, denn schließlich ist das alles meine Schuld. Jetzt ist er niedergeschlagen. Die Vorwürfe gegen mich haben ihn erschöpft.
»Tut mir leid«, sage ich, denn ihn scheint das Ganze wirklich mitgenommen zu haben. Außerdem werde ich ihn nie loswerden, es sei denn, ich lege ein Geständnis ab, was auch immer: die namenlosen Fehler, die ich gemacht habe, meine Weigerung, in Epsom zu leben und zu trauern.
Das ist ja alles gut und schön, denke ich, als wir uns vor dem kleinen Café umarmen und trennen, um uns nie wiederzusehen. Das ist ja alles gut und schön, denke ich, als ich nach Hause gehe zu einem Mann, der an keinem Schäferhund vorbeigehen kann, ohne sich in die Hose zu machen, zu einem Mann, dessen linker Fuß und Knöchel an fünfzehn verschiedenen Stellen gebrochen waren; einem einfachen alten Mann aus Vietnam, der mich manchmal anblafft, als wäre ich ein Dienstmädchen, und jeden Morgen zehn Minuten lang eine Kerze macht, um seine Hämorrhoiden zu heilen.
Das ist ja alles gut und schön.
Ich biege in die Rue Rataud ein und schaue wie immer auf halbem Wege an einem der Gebäude hoch. Einmal habe ich dort oben einen Mann mit einer Knarre gesehen. Er beugte sich über die Brüstung des kleinen Balkons in einem der Eck-Appartements und zielte mit dieser großen, hässlichen Pistole in die Querstraße. Dann drehte er sich um und zielte mit der Knarre auf mich. Oder an mir vorbei.
Diese Eck-Appartements sind so schön; so beneidenswerte Wohnungen. Ich meine, es war das fünfte Arrondissement. Es war der verkehrte Ort für einen solchen Vorfall – dabei bestand an dem Vorfall selbst kein Zweifel. Es war sehr real. Der Zeitpunkt war merkwürdig, außerdem gab es keinen Soundtrack, und alles daran war reichlich banal. Ich sah nicht noch einmal hinauf – vermutlich wollte ich seine Aufmerksamkeit nicht erregen -, und in wenigen Sekunden hatte ich ganz normal die Kreuzung überquert. Vom Bordstein über das Kopfsteinpflaster auf den gegenüberliegenden Bürgersteig. Ich blickte nicht hinter mich, um mich zu vergewissern, ob er das Ding inzwischen auf etwas anderes gerichtet hatte oder ob er verschwunden war.
Noch immer spaziere ich nahezu jeden Abend diese Straße entlang. Und jedes Mal denke ich an eine Kugel im Rücken – an die Tatsache, dass ich meistens davon verschont bleibe.
Ich gehe nach Hause zu Le Quang Hoa und stelle mir seinen Körper im Tode vor: schön ordentlich auf unserem Ehebett. Ich schließe die Tür auf und frage mich, ob Hoa real ist. Und ob er noch am Leben ist.
Wohnwagen
Es zischte, als sie die Wäsche auswrang, und aus dem Gewebe quollen kleine Bläschen hervor.
»Ich dachte, uns geht’s angeblich gut?«, fragte sie.
»Was?«
Michelle war über die Duschwanne gebeugt. Dec stand direkt hinter ihr, am Herd.
»Ich dachte, uns geht’s gut?«
»Uns geht’s nicht gut«, antwortete er. »Uns geht’s so einigermaßen.«
»Ha!«, rief sie. Falls er sich bückte, um unter dem Spülbecken eine Pfanne hervorzuholen, würden sie in der Tür des Duschbads mit dem Hintern zusammenstoßen. Le Blechkiste, nannte sie es. Oder Sardinenbüchse. Die Kinder alberten auf dem Hochbett herum, und über Michelles Kopf beulte sich die Wand aus, wenn sie gegen sie traten. Falls man sie überhaupt Wand nennen konnte. Eher glich sie einer hart gewordenen Tapete.
»Hört auf damit!«, sagte sie. »Sie sind wieder da«, sagte Dec und sah aus dem Heckfenster.
»Schluss jetzt!«, sagte Michelle. Sie musste sich ermahnen, nicht zu brüllen. »Oder ich werde den
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