Alles was ich sage ist wahr
seiner Hand über meine tränenfeuchte Wange und lächelt.
»Nein«, sagt er. »Das kann ich nicht versprechen. Nicht sicher.«
Ich seufze.
»Warum nicht?«, bohre ich nach.
»Weil es dumm ist, etwas zu versprechen, das man vielleicht nicht halten kann. Man weiß doch nie, wie es mit uns weitergeht oder was passieren wird. In fünf Jahren oder zwei Stunden. Das weiß man nicht.«
»Ich will aber, dass man das weiß.« Ich höre mich an wie ein trotziges Kind, aber das ist mir egal. »Ich will im Voraus wissen, was passiert.«
Ich trete die Schuhspitze in den Kies.
»Wie soll man sich sonst trauen, Entscheidungen zu treffen?«
Isak beißt sich auf die Unterlippe. Ich sehe ihn von der Seite an. Er hat die Schultern hochgezogen und das Kinn unter den Jackenkragen geschoben, um sich vor der Kälte zu schützen.
Er ist ein ganz toller Mensch.
Das macht mir fast ein bisschen Angst.
Ich sitze neben Isak auf einer Bank auf dem Friedhof und sehe ihn an seiner Lippe knabbern und denke, dass ich eifersüchtig auf seine Zähne bin, die ihm näher sind als ich ihm gerade, und das macht mir Angst, weil ich nicht weiß, was ich tun kann, um nicht immer nur daran zu denken, dass das Ganze womöglich mit einer klaffenden Scheißlücke endet.
»Ich kann es dir vielleicht ein ganz klein bisschen versprechen«, sagt Isak und sieht mir tief in die Augen. »Falls dir das hilft.«
Ich nicke.
Ein wenig würde das schon helfen.
Nehme ich an.
»Okay, dann verspreche ich …« Isak legt die Stirn in Falten. »Ich verspreche, die ganze Strecke bis nach Hause deine Hand zu halten und auch dann nicht loszulassen, wenn ich anfange zu schwitzen und mich dafür schäme.«
Ich lache.
»Hast du Probleme mit Handschweiß?«
»Manchmal.«
»Ich auch.«
»Siehst du, wir passen gut zusammen.«
Ich lehne meinen Kopf wieder an seine Schulter.
»Und was versprichst du noch?«
Isak denkt kurz nach.
»Dass wir wieder hierherkommen«, sagt er. »Und deine Oma besuchen. Dann kann ich ihr erzählen, was du so treibst. Und wie es dir geht.«
»Gut«, sage ich, nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht habe. »Das ist gut.«
Isak küsst mich auf die Nase. Seine Lippen sind fast heiß auf meiner kalten Haut.
»Aber jetzt verspreche ich dir erst einmal was Süßes, wenn du mit mir nach Hause kommst. Berge an Süßem!«
Ich reiße die Augen auf und sehe ihn vorwurfsvoll an.
»Alter Mann verführt Minderjährige?«
»Klappt es?«, fragt er grinsend.
Ich strecke meine Hand aus, drücke meine Handfläche an seine und ziehe unseren gemeinsamen Handschuh darüber. Ich mag ihn sehr, denke ich. Vielleicht verschwindet er wieder aus meinem Leben. So was kann man nicht im Voraus wissen. Und das ist ganz schön fies und schrecklich.
Doch, ich mag ihn sehr. Und es kribbelt so schön im Bauch, wenn er seine Finger in dem Handschuh bewegt. Und vielleicht reicht das schon, um das Risiko einzugehen. Bevor wir gehen, lege ich kurz meine freie Hand auf ein Grasbüschel. Und vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber es fühlt sich fast ein bisschen wie Omas runzliges Gesicht unter meinen Fingern an. Sie ist weg und trotzdem bei mir, ganz, ganz deutlich bei mir, überall.
»Ja«, sage ich am Ende. Dann stehe ich auf und sehe Isak an. »Das klappt.«
Und damit gehen wir.
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